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Oh Gott, habe Erbarmen mit mir armem Sünder!

9. Katechese zur Barmherzigkeit im Licht des Neuen Testaments von Papst Franziskus

Bild: InternetPapst Franziskus ging bei seiner Generalaudienz am Mittwoch, 1. Juni 2016, auf dem Petersplatz vom Gleichnis Jesu im 18. Kapitel des Lukasevangeliums aus, welches das Gebet eines hochmütigen Pharisäers mit dem eines zerknirschten Zöllners vergleicht. Aus der vom Herrn geschilderten Szene folgerte der Papst, dass das Gebet eine Frage der Haltung sei, denn nicht das arrogante, sondern das demütige Gebet ziehe die göttliche Barmherzigkeit auf sich. „Beide kommen in den Tempel, um zu beten, aber sie tun es auf sehr unterschiedliche Weise und bekommen gegensätzliche Ergebnisse. Der Pharisäer betet stehend und braucht viele Worte; er streicht vor allem seine eigenen Verdienste heraus und fühlt sich anderen Menschen überlegen … zum Beispiel dem Zöllner. Aber hier liegt genau das Problem: Dieser Pharisäer betet zwar zu Gott, aber in Wirklichkeit denkt er nur an sich selbst. Er betet zu sich selbst! Statt den Herrn vor Augen zu haben, hat er da einen Spiegel.“

Das sei eigentlich gar kein richtiges Gebet, das dieser Pharisäer da spreche, beobachtete Franziskus – eher eine Aufzählung all der von ihm penibel eingehaltenen Gesetze. „Dieser Pharisäer, der sich für gerecht hält, vernachlässigt das wichtigste Gebot: die Liebe zu Gott und zum Nächsten! Es reicht also nicht, uns zu fragen, ob wir genug beten – wir sollten uns auch fragen, wie wir beten, oder besser, wie unser Herz beschaffen ist. Wir sollten unsere Gedanken und Gefühle untersuchen, um alle Arroganz und Scheinheiligkeit fahrenzulassen. Ich frage euch: Kann man mit Arroganz beten? Nein. Kann man mit Scheinheiligkeit beten? Nein. Wenn wir beten, dann stellen wir uns so vor Gott, wie wir sind.“ Das Gebet des Zöllners sei, im Unterschied zu dem des Pharisäers, ganz kurz und nicht besonders kunstvoll gewesen, fuhr Franziskus fort. „Oh Gott, sei mir armem Sünder gnädig – sonst nichts. Ein schönes Gebet! … Sein Gebet ist wesentlich. Er handelt demütig, seine einzige Sicherheit besteht darin, dass er ein Sünder ist, der Erbarmen braucht. Während der Pharisäer um nichts gebetet hat – er hatte ja auch schon alles –, bettelt der Zöllner um die Barmherzigkeit Gottes. Und das ist schön: um die Barmherzigkeit Gottes betteln! Sich mit leeren Händen vor ihn stellen, mit nacktem Herzen, und sich als Sünder anerkennen – so zeigt uns allen der Zöllner, was wir brauchen, um die Vergebung des Herrn zu erlangen. Ausgerechnet er, der so sehr Verachtete, wird dadurch zu einer Ikone des wahren Gläubigen!“ Gott habe eine Schwäche, betonte der Papst: „die Schwäche für die Demütigen“. Einem demütigen Herzen gegenüber öffne Gott sein Herz, ohne irgendetwas zurückzuhalten. Grundlage für die Katechese ist die folgende Lesung aus dem Lukasevangelium (Lk 18,9-14):

Einigen, die von ihrer eigenen Gerechtigkeit überzeugt waren und die anderen verachteten, erzählte Jesus dieses Beispiel: Zwei Männer gingen zum Tempel hinauf, um zu beten; der eine war ein Pharisäer, der andere ein Zöllner. Der Pharisäer stellte sich hin und sprach leise dieses Gebet: Gott, ich danke dir, dass ich nicht wie die anderen Menschen bin, die Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner dort. Ich faste zweimal in der Woche und gebe dem Tempel den zehnten Teil meines ganzen Einkommens. Der Zöllner aber blieb ganz hinten stehen und wagte nicht einmal, seine Augen zum Himmel zu erheben, sondern schlug sich an die Brust und betete: Gott, sei mir Sünder gnädig! Ich sage euch: Dieser kehrte als Gerechter nach Hause zurück, der andere nicht. Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, wer sich aber selbst erniedrigt, wird erhöht werden.

Zusammenfassung der Katechese von Papst Franziskus vom 1. Juni 2016

Liebe Brüder und Schwestern, mit der Erzählung vom Pharisäer und vom Zöllner lehrt uns Jesus die rechte Haltung des Betens. Der Pharisäer protzt mit seinen Verdiensten, fühlt sich überlegen und schaut auf sich selbst, anstatt wirklich zu Gott zu beten. Im Grunde ist er weit weg von Gott, weil er das wichtigste Gebot vernachlässigt: die Gottes- und Nächstenliebe. Der Zöllner hingegen bekennt, dass er Sünder ist und des Erbarmens Gottes bedarf. Demütig und reumütig spricht er ein kurzes Gebet. Sein Beten ist wesentlich. Er ist sich seiner Armseligkeit bewusst und steht mit leeren Händen vor Gott: Nur auf diese Weise können wir Gottes Vergebung empfangen. Jesus zeigt uns mit diesem Beispiel, dass es nicht darauf ankommt, wie viel, sondern wie wir beten, ja, wie unser Herz ist. Wir müssen den Weg zu unserem Herzen finden und den Wert der Innerlichkeit und der Stille wiedergewinnen, denn da will uns Gott begegnen und zu uns sprechen. Was zählt, ist, auf welche Weise wir mit Gott und mit den Mitmenschen in Beziehung treten. Hochmut schadet jedem guten Werk, macht das Gebet leer und entfernt von Gott und den anderen. Demut bildet die Voraussetzung, um vom Herrn erhoben zu werden und um sein Erbarmen zu erfahren. © Copyright – Libreria Editrice Vaticana

Für die deutschsprachigen Pilger wurden folgende Grußworte auf Italienisch verlesen:

Mit Freude heiße ich alle Brüder und Schwestern deutscher und niederländischer Sprache willkommen. Einen besonderen Gruß richte ich an die Priester aus dem Bistum Würzburg in Begleitung von Bischof Friedhelm Hofmann. Nur wer sich klein macht vor dem Herrn, kann die Größe seiner Barmherzigkeit erfahren. Bitten wir Maria, unsere Mutter, uns zu helfen, mit einem demütigen Herzen zu beten. Und vergesst nicht, für mich und für die ganze Kirche zu beten. Danke. © Copyright – Libreria Editrice Vaticana

Weitere Hinweise und Quellen