Kirche heisst griechisch kyriake = dem Herrn gehörig, zu ergänzen griechisch ekklesia = das hl. Volk und vor allem dessen Festversammlung, Kirche also = die heilige Gemeinde des Herrn (lat. ecclesia).
I. In der Schrift
Der Ansatzpunkt für die Herkunft einer Kirche von Jesus Christus liegt in seiner Predigt an sein Volk Israel, das er in die Basileia Gottes rufen will. Dieses Volk war das Volk Gottes, dessen Festversammlung hebräisch qahal, griechisch ekklesia hieß. Der Ruf an Israel erging zunächst innerhalb des Bundes, des Alten Testamentes; die Erwählung von zwölf Aposteln bedeutete Jesu Anspruch auf sein ganzes Volk, auf alle zwölf Stämme. In der Verwirklichung dieses Rufes benützt Jesus das in der jüdischen Umwelt seiner Zeit gebräuchliche «Material», indem er als ein religiöser Wanderlehrer seinen Schülerkreis aufbaut, wenn sich diese Gemeinde gegenüber ähnlichen Gruppen vor allem auch dadurch unterscheidet, daß auch und gerade die Sünder und Verlorenen hineinberufen werden (Mk 6,34; Mt 10,6). Nach der Ablehnung des Rufes Jesu durch große Teile Israels predigt er nicht eine spirituelle Kirche, den «heiligen Rest» einer messianischen Sondergemeinde, sondern er führt den Jüngerkreis tiefer in das Geheimnis seiner Sendung und seines Todes ein, er rechnet mit einer Zwischenzeit zwischen seinem Tod und dem enthüllten Anbruch der Basileia (vgl. Mk 2,19f; 13,9f; vor allem den Auftrag zur Wiederholung des Gedächtnismahles: 1 Kor 11,24; Lk 22,16.19f.30a; vgl. auch 22,31 f). Dieser Ansatz wird von Jesus selbst nicht weiter institutionalisiert. Von ihm aus verstehen die Schriftsteller des Neuen Testamentes jedoch die Kirche, in der sie bereits leben, vgl. die Kirchenstiftungsworte Mt 16,18f: auf dem Fundament des Petrus (das also fortdauern muß, solange der Bau dauert) will Jesus „seine Kirche“ bauen, die noch nicht Basileia ist, aber auch nicht unabhängig von ihr steht, denn dem Petrus wird die Schlüsselgewalt auf sie hin gegeben. Diese Kirche wird sich in dieser Zeit vollziehen, denn die Höllenpforten werden gegen sie anstürmen, sie aber nicht überwältigen. Dies kommt ihr zu, weil im Tod Jesu, des Ebed Jahwe, „für die vielen“ (Mk 14,24) der Neue Bund gestiftet ist und die Kirche darin als Medium des Heils für alle jene bestimmt ist, die die Basileia erben werden. Diese Kirche soll apostolisch hierarchisch geleitet sein (Lk 22,31f; Mt 18, 18; Binde- und Lösegewalt); die nähere Entfaltung und die innere Begeisterung werden das Werk des Heiligen Geistes sein, der als Paraklet von Jesus verheißen ist. Das Verhältnis zum eschatologisch unwiderruflich zugesagten Geist Gottes ist überhaupt ein wichtiges Bindeglied zwischen Jesus und der Urkirche. In diesem Geist erhält sie den Anspruch auf Israel aufrecht (Apg 2,36; 3,17-26) und eröffnet sie sich den Heiden (Apg 15,14). In der Einheit von Juden und Heiden in der Kirche sieht Paulus in seiner Kirchentheologie das Geheimnis Jesu Christi schlechthin (Eph 3,4ff). Wenn bei ihm „Kirche» auch öfters die einzelne Ortsgemeinde bezeichnen kann, so ist ihm doch letztere eine theologisch, nicht eine organisatorische Größe; in allen Schwierigkeiten der Heidenmission hält er fest an der Urgemeinde in Jerusalem, und die Gesamt-Kirche ist für ihn das eigentlich mit „Kirche» Gemeinte, das sich freilich vollzieht und repräsentiert wird von den kleinen Einzelgemeinden.
II. Theologie
1. Im ersten Wesensansatz wird Kirche am besten von dem Wesen der Offenbarung her bestimmt: sie ist die gesellschaftlich legitim verfaßte Gemeinschaft, in der durch den Glauben die eschatologisch vollendete Offenbarung in Jesus Christus als Wirklichkeit und Wahrheit für die Welt präsent bleibt. Kirche kann es daher nur im endgültigen Stadium der Offenbarung als der siegreichen Selbstmitteilung Gottes im wirksamen Wort Gottes geben, in dem als menschlichem Wort Gott sich der Welt als erbarmende Gnade endgültig zusagt, also im Wort, das an die Gemeinschaft der Glaubenden ergeht, in ihrem Bekenntnis die Zusage der Gnade zur reflexen Gegebenheit bringt und in ihr mittels ihrer amtlichen Führung (Lehramt) richtig bewahrt und entfaltet wird. Kirche ist die bleibende Präsenz des endgültigen (und darum reflex ausdrücklichen) Wortes Gottes an die Welt in der Welt und für die Welt. Da dieses Wort letztlich Jesus Christus ist, hat er durch seine Wirklichkeit die Kirche gestiftet (… II. Vat., Miss. 5: die Kirche nach der Auferstehung von Jesus gegründet).
2. Wesensgesetz. Die Kirche ist, entsprechend ihrem Wesen, als bleibende Präsenz des gottmenschlichen, gehörten und proklamierten, wirksamen Wortes Gottes in der Welt, die gewissermaßen „sakramentale» Einheit von Zeichen und Sache, die weder identifiziert noch voneinander getrennt werden können (II. Vat., Kirche l 9 48, Kirche/Welt 42 u.ö.; Ursakrament): sie ist äußere Gesellschaft, „sichtbare» Kirche mit einer Verfassung (Papst, Bischof), die – wenigstens hinsichtlich bestimmter Materialien – auf Jesus Christus zurückgeht (DS 3050ff, NR 436f), mit einer greifbaren Gemeinsamkeit des Kultes und des Bekenntnisses. Aber eben dies alles ist das Zeichen der wirksamen Zugesagtheit Gottes selbst an die Welt: seiner Wahrheit in der unfehlbaren Lehre der Kirche (Unfehlbarkeit), seiner Gnade in dem wirksamen Wort der Sakramente, seiner Liebe in der gnadenhaften Einheit der Glaubenden untereinander und in deren Dienst an der Welt. Und eben dieses, dessen wirksames Zeichen die sichtbare Kirche (in Sein und Tun) ist, gehört selbst zur Kirche.
3. In dieser doppelten Seinsweise gründet die Geschichtlichkeit der Kirche. Sie ist zwar gegenwärtig und ist doch nur eschatologisch (d.h. von der schon in Jesus Christus angebrochenen Vollendung her) zu verstehen: sie ist wanderndes Gottesvolk (1 Petr 2,10; Hebr 3,7-4,11) bis zur Wiederkunft Jesu Christi. „In ihren Sakramenten und Institutionen, die noch zu dieser Weltzeit gehören, trägt die pilgernde Kirche die Gestalt dieser Welt, die vergeht» (II. Vat., Kirche 48). Diese Geschichtlichkeit der Kirche steht nicht im Widerspruch zur Verbindlichkeit ihrer jeweiligen konkreten Erscheinung, in der allein (und nicht in einer spiritualistischen „Idealkirche») jeweils die Kirche anzutreffen ist. Die Kirche ist Geschichte, aber sie wird immer neu gegenüber dem immer drohenden Verfall gehalten vom Heiligen Geist (vgl. DS 600f 3807 f, NR 407; Heilsgeschichte), der die abgeschlossene Offenbarung je geschichtlich neu enthüllt. Der innere Dynamismus der Kirche drängt nicht nur aus Glaube und Gnade zur sakramental greifbaren Darstellung dieser inneren Wirklichkeit, sondern auch aus dieser Sakramentalität der ganzen, „sichtbaren» Kirche zurück zu Glaube und Gnade, und beide Bewegungen zusammen drängen zur endzeitlichen Vollendung. In drei Daseinsräumen also lebt die Kirche: in der Innerlichkeit des Glaubens und der Gnade, in der Sichtbarkeit repräsentierender Ämtern, sakramentaler Handlungen und in der hier und jetzt in engagierter Liebe realisierten wachsenden Anteilnahme am künftigen Äon, in dem Zeichen und Bezeichnetes nicht mehr verschieden sind.
4. Die Notwendigkeit der Kirche für das Heil des Menschen ist aus diesem ihrem „sakramentalen“ Wesen her zu verstehen: sie ist heilsnotwendig (… II. Vat., Kirche 14, Miss. 7), wie es der Glaube und die Taufe je in ihrer verschiedenen Weise sind (Begierdetaufe, Kirchengliedschaft, Heilsnotwendigkeit). In Analogie zu den in der Theologie seit langem üblichen Abstufungen der Ausdrücklichkeit in Glauben (Fides implicita) und Taufe (Votum baptismi) geht auch der Vorgang der Kirchenbildung durch verschiedene Stufen (II. Vat., Kirche 13-16, Oek. 4), doch so, daß alle diese Stufen infolge ihrer Hinordnung auf die sakramental-kirchliche Endstufe deren echte Anteile sind. Dies ist nur möglich, weil die Wirklichkeit der Kirche (ebenso wie die Jesu Christi und der Sakramente) trotz ihrer Sichtbarkeit nicht nach der Art materieller Erscheinungen determiniert ist. Sie ist eine geistig-leibliche Ausdruckswirklichkeit und hat als solche die größere Möglichkeit, in verschieden dichter Leibhaftigkeit doch streng identisch zu bleiben. So ist der Satz Cyprians «Extra Ecciesiam nulla salus» durchaus mit dem allgemeinen Heilswillen Gottes sinnvoll zu vereinen, ohne daß dabei etwa die reale Heilsmöglichkeit aller (also auch der äußerlich außerhalb der Kirche Stehenden) oder die Verbindlichkeit der Kirche geleugnet werden muß. Diese Verbindlichkeit bleibt nicht ganz unangetastet, wenn man von „außerordentlichen» und „unsichtbaren» Heilswegen und von einer Zugehörigkeit zur „Seele» der Kirche spricht. Die Struktur der Kirche läßt nach der Lehre der katholischen Kirche vom Wesen der Kirche eine solche Aufspaltung nicht zu, wohl aber (infolge ihrer sakramentalen Struktur) eine Abstufung, sofern nur ein objektiver Zusammenhang der Anteile mit der ganzen Realität gegeben ist, die sich in ihnen entfaltet, und sofern nur die Verpflichtung des Menschen zu der ganzen Wirklichkeit der Kirche unangetastet bleibt.
5. Merkmale. Als Eigentümlichkeiten und Merkmale zur Unterscheidung der wahren Kirche Jesu Christi zählt man heute gewöhnlich vier auf: a) Die katholische Kirche beansprucht für sich allein den Auftrag zur Verwirklichung der auch äußerlich sichtbar einen Kirche (Einheit der Kirche, II. Vat., Kirche 8); b) die katholische Kirche versteht sich als heilige (Heiligkeit der Kirche, II. Vat., Kirche 8 ff 39 41 48); c) die Kirche Jesu Christi muß grundsätzlich katholisch, d.i. Weltkirche sein (Katholizität der Kirche, II. Vat., Kirche 81323, Oek. 4); d) sie muß auf den Aposteln aufruhen und ihnen folgen, d.h. apostolisch sein (Apostolizität der Kirche, II. Vat., Kirche 8, Oek. 17).
6. Zur Verfassung der Kirche als äußerer Gesellschaft vgl. Apostel, Papst, Bischof, Amt, Laie, Lehramt, Hirtenamt der Kirche, Ordo, Ämteranerkennung, Successio apostolica.
7. Wesensbilder der Kirche. Nach dem Vorgang der Schrift und der Patristik spricht die Kirche ihr Wesen in Analogien und Bildern aus (so zuletzt II. Vat., Kirche 6f u.ö.), deren Bezug auf die Kirche und deren genauere Bedeutung allerdings erst aus dem Ganzen der Offenbarung erkannt werden können.
a) Der nächstliegende Vergleich entstammt dem soziologischen Bereich selber: die Kirche ist das Volk Gottes (1 Petr 2,10 u.ö.). Die Berufung zum Heil. wird in dieser Sicht zum Prinzip der Sammlung. Daß die Beziehung des Menschen zu Gott an ein äußeres und gemeinsames Handeln (bzw. Erleiden) geknüpft sei, wird im modernen Individualismus als befremdend empfunden. Doch durchzieht dieser Gedanke die ganze Heilsgeschichte (Solidaritätsprinzip). Immer war Gottes Gnade in Gemeinschaften gefaßt, angefangen von den Stammeltern (Monogenismus) über die Bundesväter Noah, Abraham und Mose bis zum Neuen Bund, in dem die „Nahen und Fernen» (Eph 2, 17) in der friedensstiftenden Kraft des Blutes Jesu Christi zusammenkommen (vgl. Mt 21,43 u.ö.). Man kann aus diesem Zusammenhang nicht ausbrechen, ohne den Weg zu eben jener Transzendenz zu verfehlen, um derentwillen man versucht und vielleicht verpflichtet ist, gegen eine illegitime Inanspruchnahme dieser Transzendenz zu protestieren.
b) In der gleichen Ebene liegt das Wort vom «Reich Gottes» (zur richtigen Anwendung dieses Wortes vgl. Basileia). Es stellt die Kirche dar als den geschichtlichen Raum der in der Öffentlichkeit sichtbaren praktischen Durchsetzung des Willens Gottes und läßt sie Vorstufe sein für jene endgültige Verfassung der Schöpfung, in der in der wirklichen Basileia „Gott alles in allem» ist.
c) Mit Paulus bzw. den „Paulinen» (1 Kor 6,15ff; Eph 1,22f: Kol 1,24) und in Übereinstimmung mit der Tradition (Klemens von Rom, Origenes, Augustinus, Bonifaz VIII.) bezeichnet sich die Kirche als den „Mystischen Leib Jesu Christi». Die Bedeutung der Lehre vom mystischen Leib Jesu Christi für das neue Kirchenbewußtsein liegt in der engeren Verbindung der Kirche mit Jesus Christus sowie in der begründeteren Solidarität der Glieder untereinander. In Bezug auf die Verbindung mit Jesus Christus kann man sagen: die Kirche ist eine Christuswirklichkeit (1 Kor 12, 13); sie ist die ausgezeichnete Weise, in der Jesus Christus nach seiner Erhöhung durch die Sendung des Heiligen Geistes (vgl. 1 Kor 10,3f; Eph 2,15.17f) in den Menschen fortlebt, die er sterbend als seinen „Leib», seine „Fülle» (Eph 4,12f) an sich gezogen hat. Sie werden ihm gleichförmig und alle zusammen „einer in Christus» (Gal 3,28). Diese Weise seines Fortlebens heißt mystisch; damit wird ihr Realitätscharakter nicht geschmälert, sondern von den sonstigen Möglichkeiten, Leib zu sein, abgehoben (z.B. in biologischer Substanzeinheit). Die Kirche ist somit eine über alles bloß Institutionelle hinausreichende, lebendige Einheit: sie bezieht sich auf Jesus Christus nicht nur als auf ihren Ursprung, sondern auch als auf den in ihr gegenwärtigen Grund ihres Lebens. Die im Bild des mystischen Leibes dargestellte Verbindung aller Gläubigen untereinander (Gemeinschaft der Heiligen), die im Essen des einen Brotes in Erscheinung tritt (1 Kor 10,17.21), begründet das Bewußtsein einer seinshaft „in Christus» (Röm 12,5) begründeten Solidarität der Glieder und wird zum Motiv für liturgische, aszetische, pfarrliche, ökumenische und soziale Forderungen.
d) Da die neutestamentliche Kirche in das Erbe des Alten Testamentes eintritt, gehen auf sie neben der allgemeinen Idee des Gottesvolkes auch die bildlichen Redewendungen der prophetischen Brautmystik über: Gott verbindet sich der erlösten Menschheit in der Zartheit und Unverbrüchlichkeit der Liebe. Nur scheinbar bleibt dieses Bild hinter dem vom mystischen Leib zurück, denn eben diese Liebe macht aus den Partnern „ein Fleisch» (Gn 2,24), und eben dieser Leib bewahrt das personale Eigensein der Glieder. Beide Bilder verbinden sich im Neuen Testament (Eph 5,23-32; Apk21,9f) und halten, sich gegenseitig ergänzend, Ehrfurcht und Innigkeit im Gleichgewicht.
e) Die gleiche dialektische Funktion hat die biblische Mischung mechanischer und organischer Bildlichkeit. Einerseits wird die Kirche einem Bau verglichen, der sich aus vielen Steinen zum Haus (1 Tim 3,15; Hebr 3,6; 1 Petr 4,17) oder Tempel (Eph 2,21f) fügt, um sich zur Stadt Gottes (Gal 4,25 f) zu vollenden. Anderseits wächst sie von innen wie eine Senfstaude, ein Weinstock oder ein Baum (Mt 13,31f; Jo 15,1-8) der Lebensfülle des Paradieses entgegen. Doch auch Stadt und Garten sind nicht sich ausschließende Gegensätze, sondern deuten an, daß die bildliche Aussage das geheimnisvolle Sein der Kirche über den Begriff der Ansammlung sowohl wie des Lebens erheben will. Zuletzt aber kann die Kirche in ihrer vom Heiligen Geist gewirkten Gesamtwirklichkeit mit keiner Kategorie des irdischen Daseins, ob bildlich oder begrifflich, erschöpft werden. Sie hat den Grund ihrer Möglichkeit „von oben» und wird dem Denken des Menschen nicht dadurch zugänglich, daß sie dies verleugnet.
8. Ortskirche und Gesamtkirche. Das II. Vat. versteht unter Ortskirche zunächst die vom Bischof geleitete Kirche (= Diözese). Theologisch bedeutet Ortskirche: Die eine ganze Kirche Jesus Christi ist gegeben und präsent in jeder Ortsgemeinde (II. Vat., Kirche 26), die konstituiert wird durch die Verkündigung des Evangeliums Jesu Christi, durch die Eucharistie und durch die praktizierte Liebe. Diese (unter Umständen sehr kleine) Ortsgemeinde ist „je an ihrem Ort» das neue Volk Gottes im Heiligen Geist (ebd.). Durch sie wird Jesus im Zeichen und im Geist Gläubigen und Ungläubigen präsent. Die Gesamtkirche baut sich aus vielen solchen (unter Umständen zerstreuten) Glaubensgemeinden der „Basis» (lokalen Zellen) auf.
9. Kirche und Staat. Die Kirche beansprucht kraft ihres Wesens eine grundsätzliche Unabhängigkeit vom Staat (sie ist an kein politisches, wirtschaftliches oder gesellschaftliches System und an keine bestimmte Kultur gebunden: II. Vat., Kirche/Welt 42 58 76). Sie erkennt Staat und bürgerliche Gesellschaft als eigenständige, von der Kirche unabhängige und autonome Größen («vollkommene Gesellschaft») durchaus an (Pluralismus). Wenn sie beansprucht, «Zeichen und Schutz der Transzendenz der menschlichen Person» zu sein (II. Vat., Kirche/Welt 76), und die objektiv auch für das öffentliche und staatliche Leben geltenden Normen des natürlichen Sittengesetzes verkündigt und Verstöße dagegen als gegen das Gewissen der Völker als solche kennzeichnet und dadurch das Gewissen ihrer Glieder bindet, so wird sie dadurch kein Oberstaat, weil die Kirche die Normen der Freiheit vor Glaubenszwang und der Toleranz auch und gerade für den weltanschaulich gemischten Staat anerkennt und nicht beansprucht, hinsichtlich des positiv in der jeweiligen geschichtlichen Situation staatlich und gesellschaftlich zu Tuenden einen konkreten Imperativ verkünden zu können. Die Kirche, die nach dem II. Vat. keine Sendung in den politischen, wirtschaftlichen oder sozialen Bereich hat (Kirche/Welt 42), weiß sich dennoch verpflichtet, aktiv «zu einer humaneren Gestaltung der Menschheitsfamilie» beizutragen (ebd. 40). Hinsichtlich des konkreten politischen Weges haben die Glieder der Kirche berechtigte Meinungsverschiedenheiten (ebd. 43 75). Damit ist natürlich nicht die Freiheit gemeint, auf der Seite der allein Besitzenden, Unterdrückern, Ausbeuter zu stehen (ebd. 63-72). Die Aufgaben der Kirche in Staat und Gesellschaft ergeben sich daraus, daß sie … auch für Ungläubige existiert und dadurch gegen Unrecht sein muß; ihre Aufgaben bestehen aber nicht in der Verteidigung ihrer Privilegien, ja noch nicht einmal ihrer „legitim erworbenen Rechte» (ebd. 76).
10. Die Haltung des reifen Christen von heute gegenüber der Kirche ist einerseits von der Einsicht der Unmöglichkeit eines absoluten religiösen Individualismus getragen: Gott will das Heil aller, und dieses Heil als Heil des ganzen Menschen verwirklicht und repräsentiert sich in allen Dimensionen des Menschen, so daß es keine solche gibt, die allein «spezifisch» religiös ist (z.B. die Innerlichkeit, das Gemüt, das Frauliche, das Kultische usw.). Und so gehört eben auch die Gesellschaftlichkeit der wirksamen Repräsentanz des göttlichen Heils zur Kirche. Darum gibt es für den Christen auch auf dem Gebiet des Religiösen keinen separatistischen Individualismus, sosehr er auch als Homo religiosus das Individuum ineffabile bleibt. Anderseits weiß der Christ mitten in seiner Treue zur Kirche als dem bleibenden Raum seines religiösen Daseins, in Gehorsam gegen ihr Lehr- und Hirtenamt, daß sie die pilgernde Kirche ist, die in ihrer Geschichtlichkeit mühsam ihren Weg durch die Zeit sucht, er erträgt sie in kritischer Loyalität und in Geduld, wie er von ihr getragen wird. Und er sieht sie als in der Geschichte von Gott aufgerichtetes Zeichen des Heils (des Friedens, der Versöhnung und der Einheit) auch für die ganze Welt, also auch für die, die ihr geschichtlich greifbar noch nicht angehören. Diese grundsätzliche und durchaus auch konkrete Bejahung der Kirche schließt nicht aus, daß der Einzelne oder eine Gruppe in dem unverfügbar gegebenen Charisma die Intention der Kirche engagiert antizipiert und sich darum nur partiell mit einer Ortskirche identifiziert, in der diese Intention nur unzulänglich realisiert ist.
Aus dem kleinen theologischen Wörterbuch (kthW) von Karl Rahner, Herbert Vorgrimler, Herder-Bücherei, 5. Auflage 1965
Pater Germain Arama aus Mali im Gespräch mit dem Hilfswerk «Kirche in Not»
Pater Germain Arama, Ökonom des Bistums Mopti in Mali, hat am 21. April 2016 das internationale katholische Hilfswerk Kirche in Not in Königstein, Deutschland, besucht. Er ist in Mopti, Mali, geboren, studierte im Seminar der Hauptstadt Bamako und ist als Priester noch als Ökonom tätig, in der Diözese Mopti, einer Region in Mali, in der rund 3 Millionen Menschen leben. Im folgenden Gespräch, welches das päpstliche Hilfswerk Kirche in Not führte, gibt Pater Germain Auskunft über die Situation in seinem Heimatland, in dem seit längerer Zeit Krieg, Terror und Angst herrschen, so dass sogar die internationale Staatengemeinschaft wie die UNO zu Hilfe eilen musste, um eine humanitäre Katastrophe zu verhindern. Trotz Terror und Angst nehmen Katholiken in Mali zu weiterlesen →
7. Katechese zur Barmherzigkeit im Licht des Neuen Testaments von Papst Franziskus
Während der Generalaudienz am Mittwoch, 18. Mai 2016, erinnerte Papst Franziskus an den Geburtstag des hl. Johannes Paul II. (1978-2005), der als Karol Józef Wojtyła am 18. Mai 1920 im polnischen Wadowice geboren wurde. Unter sonnigem Himmel befasste sich der Papst in seiner Katechese mit dem Thema „Armut und Barmherzigkeit“. Am Beispiel des armen Lazarus zeigte er den Unterschied zwischen einem Leben in Armut und in Reichtum auf. Lazarus stehe für den lautlosen Schrei der Armen, die in einer Gesellschaft lebten, in der Reichtümer und Ressourcen in den Händen weniger seien. Die Armen zu verachten oder zu vernachlässigen, bedeute Gott gering zu schätzen. Franziskus hob hervor, dass in der Parabel der Arme einen Namen trage, Lazarus, „Gott hilft“, während der Reiche namenlos sei. Lazarus hätte den Reichen an die Existenz Gottes erinnern sollen, der Reiche aber reagiere nicht. Gottes Barmherzigkeit tritt nicht ein ins verschlossene Herz weiterlesen →
Jahreswallfahrt mit Kurt Kardinal Koch am 22. Mai 2016 nach Einsiedeln
Das internationale katholische Hilfswerk Kirche in Not lädt am Sonntag, 22. Mai 2016, zur traditionellen Wallfahrt ein.
Hauptzelebrant in der Hl. Messe um 12.15 Uhr in der Klosterkirche ist Kurt Kardinal Koch, Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen. Am Nachmittag findet mit der Teilnahme des Kardinals im Kongresszentrum ein Podium zum Thema „Unsere Pflichten gegenüber den Flüchtlingen“ statt. An diesem wunderbaren Gnadenort Einsiedeln stellen wir uns ganz unter den Schirm der hl. Gottesmutter Maria und betrachten die Situation der verfolgten Christen, die zu Hunderttausenden aus dem Nahen Osten geflohen sind.
6. Katechese zur Barmherzigkeit im Licht des Neuen Testaments von Papst Franziskus
Ins Zentrum seiner Generalaudienz am Mittwoch, 11. Mai 2016, stellte Papst Franziskus die Bibelstelle «Das Gleichnis vom barmherzigen Vater». Mit Gott mache man keine Tauschgeschäfte, man bekomme nichts von ihm als Preis für Wohlverhalten. Stattdessen sei Gottes Barmherzigkeit überfließend und ohne jede Bedingung. Beide Söhne, der ‚verlorene Sohn’ und der ältere Bruder, entdecken die Barmherzigkeit, aber auf ganz verschiedene Weise. „Der jüngere Sohn glaubte, eine Strafe für seine Sünden verdient zu haben, der ältere Sohn erwartete eine Belohnung für seine Dienste”, fasste der Papst die Einstellung der beiden zusammen. Beide werden vom Vater überrascht. Den jüngeren Sohn überrascht der Vater zunächst mit den Worten „,Feiern wir ein Fest, denn mein Sohn war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wiedergefunden worden´ (Lk 15,11-32), das unterbricht den Sohn in dem Augenblick, in dem er von seiner Schuld berichtet: ,ich bin es nicht würdig, dein Sohn zu sein´. Aber dieser Ausdruck ist für den Vater unerträglich.“ Niemand kann uns die Würde der Kindschaft Gottes wegnehmen weiterlesen →
5. Katechese zur Barmherzigkeit im Licht des Neuen Testaments von Papst Franziskus
Bei seiner Generalaudienz am Mittwoch, 4. Mai 2016, hat der Papst die Gläubigen einmal mehr zum Rausgehen ermuntert. Denn wenn Christen in sich selbst verschlossen seien, dann würden sie nach abgestandener Luft riechen.. Sie sollten es halten wie der Hirte im Gleichnis Jesu, der dem verlorenen Schaf nachgeht, bis er es wieder zur Herde zurückgebracht hat. „Für Gott ist niemand definitiv verloren – niemals! Gott sucht uns, bis zum letzten Moment.“ Der Hirte sucht seine Schafe in der Wüste der Wegwerfgesellschaft weiterlesen →
4. Katechese zur Barmherzigkeit im Licht des Neuen Testaments von Papst Franziskus
Papst Franziskus hatte am Mittwoch, 27. April 2016, in der Katechese seiner Generalaudienz insofern mahnende Worte, als die Kirchenzugehörigkeit allein noch keine Garantie dafür sei, dass man tatsächlich dem Willen Gottes entsprechend handle. Bei wechselhaftem Wetter war der Petersplatz voller Pilger, als Papst Franziskus über die Lesung aus dem Lukasevangelium reflektierte, in dem es um die Parabel vom Barmherzigen Samariter ging, Unter anderem forderte Franziskus die Pilger heraus, diese Parabel sei ein wundervolles Geschenk für jeden von uns, und auch ein Auftrag! Jedem von uns wiederhole Jesus das, was er den Gesetzeslehrern gesagt habe: «Geh und handle genauso!» Denn der spitzfindige Gesetzeslehrer, der von Jesus hören wollte, wer genau denn diese „Nächsten“ seien, von denen die göttliche Weisung der Nächstenliebe spricht, bekomme von ihm eine Antwort, die die althergebrachten Perspektiven verschiebe: „Zu Beginn der Parabel war für den Priester und den Leviten der halbtot geschlagene Mann der Nächste; am Ende war der Nächste der Samariter, der sich ihm genähert hat. Der Nächste hat Mitleid mit dem Leidenden und naht sich ihm weiterlesen →
3. Katechese zur Barmherzigkeit im Licht des Neuen Testaments von Papst Franziskus
Papst Franziskus zeigte in der Katechese während der Generalaudienz am Mittwoch, 20. April 2016, den Unterschied zwischen einem Christen, der sich mit ganzem Herzen dem Glauben hingibt und demjenigen, der sein Leben nicht ändern will. Ausgehend vom Lukasevangelium legte der Papst anhand der Geschichte des Simon von Bethanien dar, dass dieser seinen Nächsten nach dessen Erscheinungsbild urteile, während die Sünderin, die sich Jesus zu Füßen wirft, sich ganz dem Herrn anvertraue. Simon sei dem Irrtum verfallen, dass Jesus Sünder von sich fern halten müsse. Wir alle seien aber Sünder und bedürften der Barmherzigkeit Gottes, erklärte Papst Franziskus und betonte, dass die Geschichte den Kontrast zwischen der Heuchelei der Gelehrten und der Demut und Ernsthaftigkeit der Frau verdeutliche. Die Sünderin lehre uns die Bindung zwischen Glauben, Liebe und Dankbarkeit. Papst Franziskus forderte alle zu Dankbarkeit für das Geschenk des Glaubens und der Liebe Gottes auf und lud dazu ein, diese Dankbarkeit auch in unsere Familien weiterzutragen. Der folgende Lesungausschnitt aus dem Lukasevangelium diente dem Papst als Vorlage für seine Katechese (Lk 7,37-38.44.47-48): Wem Gott viel Sünden vergibt, der wird ihn auch viel lieben weiterlesen →
Kaum Religionsfreiheit im Iran – Abfall vom Glauben im Islam gilt als Verbrechen
Der chaldäisch-katholische Erzbischof von Teheran, Ramzi Garmou, weilt auf Einladung des Hilfswerks Kirche in Not vom 23. April bis 1. Mai 2016 in der Schweiz. In diversen Schweizer Pfarreien geht er auf die Situation der Katholiken im Iran ein und erklärt, wie den dortigen Christen geholfen werden kann. Erzbischof Garmou spricht Französisch und Arabisch. Seine Einschätzung der Situation:
„Die Christen emigrieren aus dem Iran seit der Installation der Islamischen Republik im Jahr 1979. Zurück bleiben Christen aus der unteren Mittelschicht und ältere Leute, die sich einen Neuanfang in einer fremden Umgebung nicht mehr zutrauen.“
2. Katechese zur Barmherzigkeit im Licht des Neuen Testaments von Papst Franziskus
Papst Franziskus hat sich am Mittwoch, 13. April 2016, gegen eine „Fassaden-Religiösität“ gewandt, die „nur auf den Anschein, auf die Formen achtet, aber nicht auf den Kern der Gnade, auf das Geschenk, das (uns) gemacht wird. … Das ist, als ob man dir ein Geschenk machen würde, und du siehst nur auf das Geschenkpapier und achtest gar nicht darauf, was das eigentliche Geschenk ist!“ Vor Zehntausenden von Menschen auf dem Petersplatz sprach der Papst, passend zum Heiligen Jahr, über die göttliche Barmherzigkeit. Dabei ging er von der Berufung des Matthäus durch Jesus aus – ein Text, der ihm besonders am Herzen liegt, weil er sich analog zum Zöllner Matthäus als unwürdig Berufener fühlt.
Trotz Vertreibung des IS aus Al Kariatain werden Christen nicht schnell zurückkehren
Nach der Vertreibung der dschihadistischen Terrormiliz Islamischer Staat (IS) aus der syrischen Stadt Al Kariatain (Al Qaryatayn) hat sich ein Mitglied der dort ansässigen katholischen Ordensgemeinschaft skeptisch bezüglich einer raschen Rückkehr der Christen des Ortes gezeigt. Pater Dschihad (Jihad) Jussef (Yousef) von der syrisch-katholischen Ordensgemeinschaft von Mar Musa sagte am Mittwoch, 6. April 2016, gegenüber dem internationalen Hilfswerk Kirche in Not:
„Die geflohenen Bewohner, Christen wie Moslems, haben Angst. Sie fürchten, dass der IS wieder zurückkommen kann. … Eine schnelle Rückkehr der Menschen hängt auch davon ab, wie lange das Stadtgebiet Militärzone bleibt. Außerdem ist die Infrastruktur wie Wasser und Elektrizität weitgehend zerstört. Und viele Bewohner leben ja gar nicht mehr in Syrien sondern sind ins Ausland geflohen.“