Archiv der Kategorie: Kirche

Kirche heisst griechisch kyriake = dem Herrn gehörig, zu ergänzen griechisch ekklesia = das hl. Volk und vor allem dessen Festversammlung, Kirche also = die heilige Gemeinde des Herrn (lat. ecclesia).

I. In der Schrift
Der Ansatzpunkt für die Herkunft einer Kirche von Jesus Christus liegt in seiner Predigt an sein Volk Israel, das er in die Basileia Gottes rufen will. Dieses Volk war das Volk Gottes, dessen Festversammlung hebräisch qahal, griechisch ekklesia hieß. Der Ruf an Israel erging zunächst innerhalb des Bundes, des Alten Testamentes; die Erwählung von zwölf Aposteln bedeutete Jesu Anspruch auf sein ganzes Volk, auf alle zwölf Stämme. In der Verwirklichung dieses Rufes benützt Jesus das in der jüdischen Umwelt seiner Zeit gebräuchliche «Material», indem er als ein religiöser Wanderlehrer seinen Schülerkreis aufbaut, wenn sich diese Gemeinde gegenüber ähnlichen Gruppen vor allem auch dadurch unterscheidet, daß auch und gerade die Sünder und Verlorenen hineinberufen werden (Mk 6,34; Mt 10,6). Nach der Ablehnung des Rufes Jesu durch große Teile Israels predigt er nicht eine spirituelle Kirche, den «heiligen Rest» einer messianischen Sondergemeinde, sondern er führt den Jüngerkreis tiefer in das Geheimnis seiner Sendung und seines Todes ein, er rechnet mit einer Zwischenzeit zwischen seinem Tod und dem enthüllten Anbruch der Basileia (vgl. Mk 2,19f; 13,9f; vor allem den Auftrag zur Wiederholung des Gedächtnismahles: 1 Kor 11,24; Lk 22,16.19f.30a; vgl. auch 22,31 f). Dieser Ansatz wird von Jesus selbst nicht weiter institutionalisiert. Von ihm aus verstehen die Schriftsteller des Neuen Testamentes jedoch die Kirche, in der sie bereits leben, vgl. die Kirchenstiftungsworte Mt 16,18f: auf dem Fundament des Petrus (das also fortdauern muß, solange der Bau dauert) will Jesus „seine Kirche“ bauen, die noch nicht Basileia ist, aber auch nicht unabhängig von ihr steht, denn dem Petrus wird die Schlüsselgewalt auf sie hin gegeben. Diese Kirche wird sich in dieser Zeit vollziehen, denn die Höllenpforten werden gegen sie anstürmen, sie aber nicht überwältigen. Dies kommt ihr zu, weil im Tod Jesu, des Ebed Jahwe, „für die vielen“ (Mk 14,24) der Neue Bund gestiftet ist und die Kirche darin als Medium des Heils für alle jene bestimmt ist, die die Basileia erben werden. Diese Kirche soll apostolisch hierarchisch geleitet sein (Lk 22,31f; Mt 18, 18; Binde- und Lösegewalt); die nähere Entfaltung und die innere Begeisterung werden das Werk des Heiligen Geistes sein, der als Paraklet von Jesus verheißen ist. Das Verhältnis zum eschatologisch unwiderruflich zugesagten Geist Gottes ist überhaupt ein wichtiges Bindeglied zwischen Jesus und der Urkirche. In diesem Geist erhält sie den Anspruch auf Israel aufrecht (Apg 2,36; 3,17-26) und eröffnet sie sich den Heiden (Apg 15,14). In der Einheit von Juden und Heiden in der Kirche sieht Paulus in seiner Kirchentheologie das Geheimnis Jesu Christi schlechthin (Eph 3,4ff). Wenn bei ihm „Kirche» auch öfters die einzelne Ortsgemeinde bezeichnen kann, so ist ihm doch letztere eine theologisch, nicht eine organisatorische Größe; in allen Schwierigkeiten der Heidenmission hält er fest an der Urgemeinde in Jerusalem, und die Gesamt-Kirche ist für ihn das eigentlich mit „Kirche» Gemeinte, das sich freilich vollzieht und repräsentiert wird von den kleinen Einzelgemeinden.

II. Theologie
1. Im ersten Wesensansatz wird Kirche am besten von dem Wesen der Offenbarung her bestimmt: sie ist die gesellschaftlich legitim verfaßte Gemeinschaft, in der durch den Glauben die eschatologisch vollendete Offenbarung in Jesus Christus als Wirklichkeit und Wahrheit für die Welt präsent bleibt. Kirche kann es daher nur im endgültigen Stadium der Offenbarung als der siegreichen Selbstmitteilung Gottes im wirksamen Wort Gottes geben, in dem als menschlichem Wort Gott sich der Welt als erbarmende Gnade endgültig zusagt, also im Wort, das an die Gemeinschaft der Glaubenden ergeht, in ihrem Bekenntnis die Zusage der Gnade zur reflexen Gegebenheit bringt und in ihr mittels ihrer amtlichen Führung (Lehramt) richtig bewahrt und entfaltet wird. Kirche ist die bleibende Präsenz des endgültigen (und darum reflex ausdrücklichen) Wortes Gottes an die Welt in der Welt und für die Welt. Da dieses Wort letztlich Jesus Christus ist, hat er durch seine Wirklichkeit die Kirche gestiftet (… II. Vat., Miss. 5: die Kirche nach der Auferstehung von Jesus gegründet).
2. Wesensgesetz. Die Kirche ist, entsprechend ihrem Wesen, als bleibende Präsenz des gottmenschlichen, gehörten und proklamierten, wirksamen Wortes Gottes in der Welt, die gewissermaßen „sakramentale» Einheit von Zeichen und Sache, die weder identifiziert noch voneinander getrennt werden können (II. Vat., Kirche l 9 48, Kirche/Welt 42 u.ö.; Ursakrament): sie ist äußere Gesellschaft, „sichtbare» Kirche mit einer Verfassung (Papst, Bischof), die – wenigstens hinsichtlich bestimmter Materialien – auf Jesus Christus zurückgeht (DS 3050ff, NR 436f), mit einer greifbaren Gemeinsamkeit des Kultes und des Bekenntnisses. Aber eben dies alles ist das Zeichen der wirksamen Zugesagtheit Gottes selbst an die Welt: seiner Wahrheit in der unfehlbaren Lehre der Kirche (Unfehlbarkeit), seiner Gnade in dem wirksamen Wort der Sakramente, seiner Liebe in der gnadenhaften Einheit der Glaubenden untereinander und in deren Dienst an der Welt. Und eben dieses, dessen wirksames Zeichen die sichtbare Kirche (in Sein und Tun) ist, gehört selbst zur Kirche.
3. In dieser doppelten Seinsweise gründet die Geschichtlichkeit der Kirche. Sie ist zwar gegenwärtig und ist doch nur eschatologisch (d.h. von der schon in Jesus Christus angebrochenen Vollendung her) zu verstehen: sie ist wanderndes Gottesvolk (1 Petr 2,10; Hebr 3,7-4,11) bis zur Wiederkunft Jesu Christi. „In ihren Sakramenten und Institutionen, die noch zu dieser Weltzeit gehören, trägt die pilgernde Kirche die Gestalt dieser Welt, die vergeht» (II. Vat., Kirche 48). Diese Geschichtlichkeit der Kirche steht nicht im Widerspruch zur Verbindlichkeit ihrer jeweiligen konkreten Erscheinung, in der allein (und nicht in einer spiritualistischen „Idealkirche») jeweils die Kirche anzutreffen ist. Die Kirche ist Geschichte, aber sie wird immer neu gegenüber dem immer drohenden Verfall gehalten vom Heiligen Geist (vgl. DS 600f 3807 f, NR 407; Heilsgeschichte), der die abgeschlossene Offenbarung je geschichtlich neu enthüllt. Der innere Dynamismus der Kirche drängt nicht nur aus Glaube und Gnade zur sakramental greifbaren Darstellung dieser inneren Wirklichkeit, sondern auch aus dieser Sakramentalität der ganzen, „sichtbaren» Kirche zurück zu Glaube und Gnade, und beide Bewegungen zusammen drängen zur endzeitlichen Vollendung. In drei Daseinsräumen also lebt die Kirche: in der Innerlichkeit des Glaubens und der Gnade, in der Sichtbarkeit repräsentierender Ämtern, sakramentaler Handlungen und in der hier und jetzt in engagierter Liebe realisierten wachsenden Anteilnahme am künftigen Äon, in dem Zeichen und Bezeichnetes nicht mehr verschieden sind.
4. Die Notwendigkeit der Kirche für das Heil des Menschen ist aus diesem ihrem „sakramentalen“ Wesen her zu verstehen: sie ist heilsnotwendig (… II. Vat., Kirche 14, Miss. 7), wie es der Glaube und die Taufe je in ihrer verschiedenen Weise sind (Begierdetaufe, Kirchengliedschaft, Heilsnotwendigkeit). In Analogie zu den in der Theologie seit langem üblichen Abstufungen der Ausdrücklichkeit in Glauben (Fides implicita) und Taufe (Votum baptismi) geht auch der Vorgang der Kirchenbildung durch verschiedene Stufen (II. Vat., Kirche 13-16, Oek. 4), doch so, daß alle diese Stufen infolge ihrer Hinordnung auf die sakramental-kirchliche Endstufe deren echte Anteile sind. Dies ist nur möglich, weil die Wirklichkeit der Kirche (ebenso wie die Jesu Christi und der Sakramente) trotz ihrer Sichtbarkeit nicht nach der Art materieller Erscheinungen determiniert ist. Sie ist eine geistig-leibliche Ausdruckswirklichkeit und hat als solche die größere Möglichkeit, in verschieden dichter Leibhaftigkeit doch streng identisch zu bleiben. So ist der Satz Cyprians «Extra Ecciesiam nulla salus» durchaus mit dem allgemeinen Heilswillen Gottes sinnvoll zu vereinen, ohne daß dabei etwa die reale Heilsmöglichkeit aller (also auch der äußerlich außerhalb der Kirche Stehenden) oder die Verbindlichkeit der Kirche geleugnet werden muß. Diese Verbindlichkeit bleibt nicht ganz unangetastet, wenn man von „außerordentlichen» und „unsichtbaren» Heilswegen und von einer Zugehörigkeit zur „Seele» der Kirche spricht. Die Struktur der Kirche läßt nach der Lehre der katholischen Kirche vom Wesen der Kirche eine solche Aufspaltung nicht zu, wohl aber (infolge ihrer sakramentalen Struktur) eine Abstufung, sofern nur ein objektiver Zusammenhang der Anteile mit der ganzen Realität gegeben ist, die sich in ihnen entfaltet, und sofern nur die Verpflichtung des Menschen zu der ganzen Wirklichkeit der Kirche unangetastet bleibt.
5. Merkmale. Als Eigentümlichkeiten und Merkmale zur Unterscheidung der wahren Kirche Jesu Christi zählt man heute gewöhnlich vier auf: a) Die katholische Kirche beansprucht für sich allein den Auftrag zur Verwirklichung der auch äußerlich sichtbar einen Kirche (Einheit der Kirche, II. Vat., Kirche 8); b) die katholische Kirche versteht sich als heilige (Heiligkeit der Kirche, II. Vat., Kirche 8 ff 39 41 48); c) die Kirche Jesu Christi muß grundsätzlich katholisch, d.i. Weltkirche sein (Katholizität der Kirche, II. Vat., Kirche 81323, Oek. 4); d) sie muß auf den Aposteln aufruhen und ihnen folgen, d.h. apostolisch sein (Apostolizität der Kirche, II. Vat., Kirche 8, Oek. 17).
6. Zur Verfassung der Kirche als äußerer Gesellschaft vgl. Apostel, Papst, Bischof, Amt, Laie, Lehramt, Hirtenamt der Kirche, Ordo, Ämteranerkennung, Successio apostolica.
7. Wesensbilder der Kirche. Nach dem Vorgang der Schrift und der Patristik spricht die Kirche ihr Wesen in Analogien und Bildern aus (so zuletzt II. Vat., Kirche 6f u.ö.), deren Bezug auf die Kirche und deren genauere Bedeutung allerdings erst aus dem Ganzen der Offenbarung erkannt werden können.
a) Der nächstliegende Vergleich entstammt dem soziologischen Bereich selber: die Kirche ist das Volk Gottes (1 Petr 2,10 u.ö.). Die Berufung zum Heil. wird in dieser Sicht zum Prinzip der Sammlung. Daß die Beziehung des Menschen zu Gott an ein äußeres und gemeinsames Handeln (bzw. Erleiden) geknüpft sei, wird im modernen Individualismus als befremdend empfunden. Doch durchzieht dieser Gedanke die ganze Heilsgeschichte (Solidaritätsprinzip). Immer war Gottes Gnade in Gemeinschaften gefaßt, angefangen von den Stammeltern (Monogenismus) über die Bundesväter Noah, Abraham und Mose bis zum Neuen Bund, in dem die „Nahen und Fernen» (Eph 2, 17) in der friedensstiftenden Kraft des Blutes Jesu Christi zusammenkommen (vgl. Mt 21,43 u.ö.). Man kann aus diesem Zusammenhang nicht ausbrechen, ohne den Weg zu eben jener Transzendenz zu verfehlen, um derentwillen man versucht und vielleicht verpflichtet ist, gegen eine illegitime Inanspruchnahme dieser Transzendenz zu protestieren.
b) In der gleichen Ebene liegt das Wort vom «Reich Gottes» (zur richtigen Anwendung dieses Wortes vgl. Basileia). Es stellt die Kirche dar als den geschichtlichen Raum der in der Öffentlichkeit sichtbaren praktischen Durchsetzung des Willens Gottes und läßt sie Vorstufe sein für jene endgültige Verfassung der Schöpfung, in der in der wirklichen Basileia „Gott alles in allem» ist.
c) Mit Paulus bzw. den „Paulinen» (1 Kor 6,15ff; Eph 1,22f: Kol 1,24) und in Übereinstimmung mit der Tradition (Klemens von Rom, Origenes, Augustinus, Bonifaz VIII.) bezeichnet sich die Kirche als den „Mystischen Leib Jesu Christi». Die Bedeutung der Lehre vom mystischen Leib Jesu Christi für das neue Kirchenbewußtsein liegt in der engeren Verbindung der Kirche mit Jesus Christus sowie in der begründeteren Solidarität der Glieder untereinander. In Bezug auf die Verbindung mit Jesus Christus kann man sagen: die Kirche ist eine Christuswirklichkeit (1 Kor 12, 13); sie ist die ausgezeichnete Weise, in der Jesus Christus nach seiner Erhöhung durch die Sendung des Heiligen Geistes (vgl. 1 Kor 10,3f; Eph 2,15.17f) in den Menschen fortlebt, die er sterbend als seinen „Leib», seine „Fülle» (Eph 4,12f) an sich gezogen hat. Sie werden ihm gleichförmig und alle zusammen „einer in Christus» (Gal 3,28). Diese Weise seines Fortlebens heißt mystisch; damit wird ihr Realitätscharakter nicht geschmälert, sondern von den sonstigen Möglichkeiten, Leib zu sein, abgehoben (z.B. in biologischer Substanzeinheit). Die Kirche ist somit eine über alles bloß Institutionelle hinausreichende, lebendige Einheit: sie bezieht sich auf Jesus Christus nicht nur als auf ihren Ursprung, sondern auch als auf den in ihr gegenwärtigen Grund ihres Lebens. Die im Bild des mystischen Leibes dargestellte Verbindung aller Gläubigen untereinander (Gemeinschaft der Heiligen), die im Essen des einen Brotes in Erscheinung tritt (1 Kor 10,17.21), begründet das Bewußtsein einer seinshaft „in Christus» (Röm 12,5) begründeten Solidarität der Glieder und wird zum Motiv für liturgische, aszetische, pfarrliche, ökumenische und soziale Forderungen.
d) Da die neutestamentliche Kirche in das Erbe des Alten Testamentes eintritt, gehen auf sie neben der allgemeinen Idee des Gottesvolkes auch die bildlichen Redewendungen der prophetischen Brautmystik über: Gott verbindet sich der erlösten Menschheit in der Zartheit und Unverbrüchlichkeit der Liebe. Nur scheinbar bleibt dieses Bild hinter dem vom mystischen Leib zurück, denn eben diese Liebe macht aus den Partnern „ein Fleisch» (Gn 2,24), und eben dieser Leib bewahrt das personale Eigensein der Glieder. Beide Bilder verbinden sich im Neuen Testament (Eph 5,23-32; Apk21,9f) und halten, sich gegenseitig ergänzend, Ehrfurcht und Innigkeit im Gleichgewicht.
e) Die gleiche dialektische Funktion hat die biblische Mischung mechanischer und organischer Bildlichkeit. Einerseits wird die Kirche einem Bau verglichen, der sich aus vielen Steinen zum Haus (1 Tim 3,15; Hebr 3,6; 1 Petr 4,17) oder Tempel (Eph 2,21f) fügt, um sich zur Stadt Gottes (Gal 4,25 f) zu vollenden. Anderseits wächst sie von innen wie eine Senfstaude, ein Weinstock oder ein Baum (Mt 13,31f; Jo 15,1-8) der Lebensfülle des Paradieses entgegen. Doch auch Stadt und Garten sind nicht sich ausschließende Gegensätze, sondern deuten an, daß die bildliche Aussage das geheimnisvolle Sein der Kirche über den Begriff der Ansammlung sowohl wie des Lebens erheben will. Zuletzt aber kann die Kirche in ihrer vom Heiligen Geist gewirkten Gesamtwirklichkeit mit keiner Kategorie des irdischen Daseins, ob bildlich oder begrifflich, erschöpft werden. Sie hat den Grund ihrer Möglichkeit „von oben» und wird dem Denken des Menschen nicht dadurch zugänglich, daß sie dies verleugnet.
8. Ortskirche und Gesamtkirche. Das II. Vat. versteht unter Ortskirche zunächst die vom Bischof geleitete Kirche (= Diözese). Theologisch bedeutet Ortskirche: Die eine ganze Kirche Jesus Christi ist gegeben und präsent in jeder Ortsgemeinde (II. Vat., Kirche 26), die konstituiert wird durch die Verkündigung des Evangeliums Jesu Christi, durch die Eucharistie und durch die praktizierte Liebe. Diese (unter Umständen sehr kleine) Ortsgemeinde ist „je an ihrem Ort» das neue Volk Gottes im Heiligen Geist (ebd.). Durch sie wird Jesus im Zeichen und im Geist Gläubigen und Ungläubigen präsent. Die Gesamtkirche baut sich aus vielen solchen (unter Umständen zerstreuten) Glaubensgemeinden der „Basis» (lokalen Zellen) auf.
9. Kirche und Staat. Die Kirche beansprucht kraft ihres Wesens eine grundsätzliche Unabhängigkeit vom Staat (sie ist an kein politisches, wirtschaftliches oder gesellschaftliches System und an keine bestimmte Kultur gebunden: II. Vat., Kirche/Welt 42 58 76). Sie erkennt Staat und bürgerliche Gesellschaft als eigenständige, von der Kirche unabhängige und autonome Größen («vollkommene Gesellschaft») durchaus an (Pluralismus). Wenn sie beansprucht, «Zeichen und Schutz der Transzendenz der menschlichen Person» zu sein (II. Vat., Kirche/Welt 76), und die objektiv auch für das öffentliche und staatliche Leben geltenden Normen des natürlichen Sittengesetzes verkündigt und Verstöße dagegen als gegen das Gewissen der Völker als solche kennzeichnet und dadurch das Gewissen ihrer Glieder bindet, so wird sie dadurch kein Oberstaat, weil die Kirche die Normen der Freiheit vor Glaubenszwang und der Toleranz auch und gerade für den weltanschaulich gemischten Staat anerkennt und nicht beansprucht, hinsichtlich des positiv in der jeweiligen geschichtlichen Situation staatlich und gesellschaftlich zu Tuenden einen konkreten Imperativ verkünden zu können. Die Kirche, die nach dem II. Vat. keine Sendung in den politischen, wirtschaftlichen oder sozialen Bereich hat (Kirche/Welt 42), weiß sich dennoch verpflichtet, aktiv «zu einer humaneren Gestaltung der Menschheitsfamilie» beizutragen (ebd. 40). Hinsichtlich des konkreten politischen Weges haben die Glieder der Kirche berechtigte Meinungsverschiedenheiten (ebd. 43 75). Damit ist natürlich nicht die Freiheit gemeint, auf der Seite der allein Besitzenden, Unterdrückern, Ausbeuter zu stehen (ebd. 63-72). Die Aufgaben der Kirche in Staat und Gesellschaft ergeben sich daraus, daß sie … auch für Ungläubige existiert und dadurch gegen Unrecht sein muß; ihre Aufgaben bestehen aber nicht in der Verteidigung ihrer Privilegien, ja noch nicht einmal ihrer „legitim erworbenen Rechte» (ebd. 76).
10. Die Haltung des reifen Christen von heute gegenüber der Kirche ist einerseits von der Einsicht der Unmöglichkeit eines absoluten religiösen Individualismus getragen: Gott will das Heil aller, und dieses Heil als Heil des ganzen Menschen verwirklicht und repräsentiert sich in allen Dimensionen des Menschen, so daß es keine solche gibt, die allein «spezifisch» religiös ist (z.B. die Innerlichkeit, das Gemüt, das Frauliche, das Kultische usw.). Und so gehört eben auch die Gesellschaftlichkeit der wirksamen Repräsentanz des göttlichen Heils zur Kirche. Darum gibt es für den Christen auch auf dem Gebiet des Religiösen keinen separatistischen Individualismus, sosehr er auch als Homo religiosus das Individuum ineffabile bleibt. Anderseits weiß der Christ mitten in seiner Treue zur Kirche als dem bleibenden Raum seines religiösen Daseins, in Gehorsam gegen ihr Lehr- und Hirtenamt, daß sie die pilgernde Kirche ist, die in ihrer Geschichtlichkeit mühsam ihren Weg durch die Zeit sucht, er erträgt sie in kritischer Loyalität und in Geduld, wie er von ihr getragen wird. Und er sieht sie als in der Geschichte von Gott aufgerichtetes Zeichen des Heils (des Friedens, der Versöhnung und der Einheit) auch für die ganze Welt, also auch für die, die ihr geschichtlich greifbar noch nicht angehören. Diese grundsätzliche und durchaus auch konkrete Bejahung der Kirche schließt nicht aus, daß der Einzelne oder eine Gruppe in dem unverfügbar gegebenen Charisma die Intention der Kirche engagiert antizipiert und sich darum nur partiell mit einer Ortskirche identifiziert, in der diese Intention nur unzulänglich realisiert ist.

Aus dem kleinen theologischen Wörterbuch (kthW) von Karl Rahner, Herbert Vorgrimler, Herder-Bücherei, 5. Auflage 1965

Aus dem Glaubensbekenntnis: Von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten

21. Katechese zum Jahr des Glaubens von Papst Franziskus

Bild: L'Osservatore RomanoDas Sprechen vom Jüngsten Gericht ist kein Grund, Angst zu haben oder zu machen. Mit diesem Gedanken erläuterte Papst Franziskus am Mittwoch, 24. April bei der Generalaudienz einen weiteren Vers des Glaubensbekenntnisses. Der Petersplatz war wieder übervoll, der Platz davor auch, und die Menschen standen bis weit in die breite Zugangsstraße, die Via della Conciliazione hinein, um den Papst zu hören und zu sehen. „Von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten“: Dieser Vers des Glaubensbekenntnisses war das Thema der Katechese des Papstes. Er drücke die Spannung aus, die in der Welt sei: Sie habe begonnen mit der Schöpfung des Menschen nach Gottes Antlitz und sie ende im jüngsten Gericht. „Die beiden Pole der Geschichte werden leicht vergessen, und vor allem der Glaube in die Wiederkunft Christi und das Gericht, er ist oft nicht klar und wird in den Herzen der Gläubigen übergangen. Jesus selber hat während seines öffentlichen Auftretens immer wieder von der Wirklichkeit seines Wiederkommens gesprochen.“

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Wir sind nie allein: Mit Christus haben wir einen Anwalt im Himmel, der für uns eintritt

20. Katechese zum Jahr des Glaubens von Papst Franziskus

Bild: L'Osservatore Romano«Wir sind nie allein: Mit Christus haben wir einen Anwalt im Himmel, der für uns eintritt» sagte Papst Franziskus bei seiner Generalaudienz am Mittwoch, 17. April vor mehr als hunderttausend Menschen auf dem Petersplatz. Es war die vierte Generalaudienz des neuen Papstes; Franziskus sprach diesmal über die Himmelfahrt Jesu. Das Leben Jesu kulminiere in der Himmelfahrt, bei der er von dieser Welt zum Vater gehe. Doch der Weg in die Herrlichkeit des Vaters führt Jesus „über das Kreuz, über den Gehorsam gegenüber dem Plan Gottes”, so der Papst. „Auch wir müssen uns in unserem christlichen Leben im klaren sein darüber, dass das Eintreten in die Herrlichkeit Gottes die tägliche Treue seinem Willen gegenüber voraussetzt, auch wenn das Opfer mit sich bringt, auch wenn das manchmal erfordert, dass wir unser Programm ändern.

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Gott der Heilige Geist weht, wo ER will, ER gibt uns Freiheit, Trost und Kraft zum Vorwärtsgehen

Papst Franziskus zur Umsetzung des Zweiten Vatikanischen Konzils

Bild: L?Osservatore RomanoPapst Franziskus hat in seiner Predigt am Dienstagmorgen, 16. April deutlich Stellung bezogen und die mangelhafte Umsetzung des Zweiten Vatikanischen Konzils beklagt. Das sei vor allem ein geistliches Problem, so der Papst: „Um es klar zu sagen: Der Heilige Geist ist für uns eine Belästigung. Er bewegt uns, er lässt uns unterwegs sein, er drängt die Kirche, weiter zu gehen. Aber wir sind wie Petrus bei der Verklärung, ‚Ah, wie schön ist es doch, gemeinsam hier zu sein.’ Das fordert uns aber nicht heraus. Wir wollen, dass der Heilige Geist sich beruhigt, wir wollen ihn zähmen. Aber das geht nicht. Denn er ist Gott und ist wie der Wind, der weht, wo er will. Er ist die Kraft Gottes, der uns Trost gibt und auch die Kraft, vorwärts zu gehen. Es ist dieses ‚Vorwärts gehen’, das für uns so anstrengend ist. Die Bequemlichkeit gefällt uns viel besser.“  Gott der Heilige Geist weht, wo ER will, ER gibt uns Freiheit, Trost und Kraft zum Vorwärtsgehen weiterlesen

Lehren kann man für die Gegenwart nur ziehen, wenn man die Menschen und ihre Probleme in ihrer Gegenwart analysiert

Ökumenische Gedanken zu 500 Jahre Luther von Historiker Heinz Schilling

Im Jahr 2017 jährt sich die Reformation Martin Luthers zum 500. Mal. Was das nun ökumenisch bedeutet, ob man feiert oder gedenkt, wie die evangelischen Kirchen mit ihrer Luther-Dekade diesen Anlass würdigen können und sollen, das wird seit Jahren diskutiert. Vor einiger Zeit ist eine Biographie des Reformators Martin Luther erschienen, die sich durchaus ganz bewusst in diese Diskussion einmischen will, mit Vehemenz und Leidenschaft. Heinz Schilling, emeritierter Professor für Europäische Geschichte der Frühen Neuzeit an der Humboldt-Universität zu Berlin und Mitglied des wissenschaftlichen Beirates der Lutherdekade, will mit seinen biographischen Studien dazu beitragen, Geröll des Lutherverständnisses abzutragen. Unser Thema heute: Reden über Gott und Welt. „Luther hat sehr bald, unterstützt von einem ganzen Kreis von Mitarbeitern, an einem Lutherbild gearbeitet, das nicht immer den historischen Entwicklungen entsprach. Lehren kann man für die Gegenwart nur ziehen, wenn man die Menschen und ihre Probleme in ihrer Gegenwart analysiert weiterlesen

Christ sein heißt nicht bloß die Gebote befolgen, sondern in Christus sein – denken, handeln, lieben wie ER

19. Katechese zum Jahr des Glaubens von Papst Franziskus

Bild: L'Osservatore RomanoGott ist so barmherzig, dass er uns sogar dann liebt, wenn wir Fehler machen. Das betonte Papst Franziskus in der Mittwochskatechese vom 10. April 2013 bei der Generalaudienz auf dem Petersplatz. Vor Tausenden Pilgern und Besuchern ging er auf die Bedeutung des Ostergeschehens ein. Christ sein bedeute nicht bloß Gebote befolgen, sondern in Christus sein – denken, handeln, lieben wie Christus – und zulassen, dass der Herr von unserem Leben Besitz ergreife, es verwandle und so frei mache vom Dunkel des Bösen und der Sünde, so der Papst.

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Ohne diesen Glauben an Tod und Auferstehung Christi ist unsere Hoffnung schwach, nicht einmal eine wirkliche Hoffnung

18. Katechese zum Jahr des Glaubens von Papst Franziskus

Bild: L'Osservatore RomanoBei seiner zweiten Generalaudienz auf dem Petersplatz sprach Papst Franziskus am Mittwoch, 3. April besonders die jungen Gläubigen sowie die Frauen an. Sie alle forderte er auf, den Glauben weiter zu tragen. Der Rahmen der Generalaudienz war der Fortführung der Katechesereihe gewidmet, die sein Vorgänger Benedikt XVI. begonnen hatte. Der Papst widmete sich ausführlich dem Glaubensbekenntnis und der Aussage: „am dritten Tage auferstanden nach der Schrift“: „Der Tod und die Auferstehung Jesu sind wirklich das Herz unserer Hoffnung. Ohne diesen Glauben an den Tod und die Auferstehung Jesu ist unsere Hoffnung schwach, sie ist nicht einmal eine wirkliche Hoffnung. Es sind grade der Tod und die Auferstehung Jesu, die das Herz unserer Hoffnung sind. […]

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Es ist die Taufe, die uns zu Kindern Gottes macht

Ansprache von Papst Franziskus beim Regina Coeli am Ostermontag

Bild: L'Osservatore RomanoPapst Franziskus hat am Ostermontag 2013 auf dem Petersplatz das Regina Coeli gebetet. Radio Vatikan dokumentierte folgende Arbeitsübersetzung der Ansprache: Liebe Brüder und Schwestern, frohe Ostern Euch allen! Ich danke Euch, dass Ihr auch heute wieder so zahlreich erschienen seid, um die Osterfreude zu teilen, das zentrale Geheimnis unseres Glaubens. Möge die Kraft der Auferstehung Christus jede Person erreichen – vor allem, wer leidet und sich in Situationen befindet, die Hoffnung und Vertrauen erfordern. Christus hat das Böse voll und ganz besiegt, aber es kommt auf uns an, auf die Menschen aller Zeiten, diesen Sieg in unser Leben aufzunehmen, in die konkrete Realität der Geschichte und der Gesellschaft. Deshalb scheint es mir wichtig zu unterstreichen, dass wir heute in der Liturgie Gott bitten: „Gott, du Herr allen Lebens, durch die Taufe schenkst du deiner Kirche Jahr für Jahr neue Söhne und Töchter. Gib, dass alle Christen in ihrem Leben dem Sakrament treu bleiben, das sie im Glauben empfangen haben.

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Der Schöpfung wird ständig widersprochen vom Bösen in der Welt, und zwar durch Leid und Korruption

Fastenexerzitien für Papst Benedikt XVI. gingen im Vatikan zu Ende

Es war „ein Spaziergang durch das Glaubensuniversum“ – mit diesen Worten hat Papst Benedikt XVI. die diesjährigen Fastenexerzitien im Vatikan beschrieben. Er bedankte sich am Samstag beim Kurienkardinal Gianfranco Ravasi, der die Exerzitien in der Kapelle Redemptoris Mater geleitet hatte. Der vatikanische Kulturbeauftragte hatte Meditationstexte zum Thema „Kunst des Glaubens, Kunst des Gebetes“ vorgetragen. Dazu sagte der Papst zum Abschluss der Exerzitien: „Mir ist bei diesen Meditationen in den Sinn gekommen, dass die Theologen des Mittelalters den Begriff „logos“ nicht nur mit dem Wort „verbum“ übersetzt hatten, sondern auch mit dem Stichwort „ars“. „Verbum“ und „ars“ sind austauschbar. Aber nur wenn man beide Begriffe zusammennimmt, war es für die mittelalterlichen Theologen ersichtlich, was die wahre Bedeutung des Wortes „logos“ ist. „Logos“ hat also nicht nur eine mathematische Bedeutung, vielmehr müsste man sagen, dass der Begriff sozusagen ein Herz hat, denn „Logos“ ist auch Liebe.“ Der Schöpfung wird ständig widersprochen vom Bösen in der Welt, und zwar durch Leid und Korruption weiterlesen

Ich werde immer bei euch sein, auch wenn ich im Gebet zurückgezogen sein werde. Der Herr siegt!

Papst Benedikt XVI. begegnet Priestern und Seminaristen des Bistums Rom

Em. Papst Benedikt XVI.
Benedikt XVI. Anno domini 2005

„Herr, erbarme dich“: Mit der Allerheiligenlitanei auf dem Petersplatz bereiten sich die Priester und Seminaristen des Bistums Rom auf die Begegnung mit ihrem scheidenden Bischof vor. „Herr, erbarme dich“ – man könnte es für einen Hilferuf halten in einem Moment, in dem angesichts von Benedikts Rückzug viel Betroffenheit und Verwirrung herrschen. Als der Papst in der Audienzhalle erscheint, brandet Beifall auf, und das „Tu es Petrus“ wird gesungen, „Du bist Petrus“ – vielleicht zum letzten Mal für diesen Papst. „Danke für eure Zuneigung, für eure Liebe zur Kirche und zum Papst“, sagt Benedikt, als „Viva il Papa“ gerufen wird. „Unsere Begegnung heute hat eine ganz besondere Bedeutung“, sagt der Generalvikar des Bistums Rom, Kardinal Vallini, in einem Grußwort an Benedikt XVI. (MP3-Audio von Radio Vatikan, Stefan von Kempis: Papst Benedikt XVI. begegnet am 14. Februar 2013 Priestern und Seminaristen des Bistums Rom)

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Dann kehren wir uns zu Gott hin, zu unserem Schöpfer und der Quelle aller Liebe

17. Katechese zum Jahr des Glaubens von Papst Benedikt XVI.

Em. Papst Benedikt XVI.
Benedikt XVI. Anno domini 2005

Papst Benedikt XVI. hat am Aschermittwoch, 13. Februar seine vorletzte Generalaudienz geleitet. In der vollständig gefüllten Audienzhalle hatte sich ein buntes Meer an Pilgern und Besuchern versammelt, die sich vom Papst verabschieden wollten. Ohne Stock trat der Papst vor sein Publikum, das ihm zujubelte und jedes seiner Worte gespannt verfolgte. Neue Erklärungen zu seinem Amtsverzicht gab er bei der Generalaudienz nicht ab; er bekräftigte allerdings seine Worte vom Montag: Nachlassende Kräfte seien der Grund für die Rücktrittsentscheidung gewesen. Die Pilger würdigten seine Worte mit Applaus – „danke für eure Zuneigung», sagte dazu der sichtlich bewegte Papst.Und er erklärte: „Ich habe dies in voller Freiheit zum Wohl der Kirche getan, nachdem ich lange gebetet und vor Gott mein Gewissen geprüft habe. Ich bin mir des Ernstes dieses Aktes sehr bewußt, aber ich bin mir ebenso bewußt, nicht mehr in der Lage zu sein, das Petrusamt mit der dafür erforderlichen Kraft auszuüben.»

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