Als Prinzip bezeichnen wir mit Thomas das, woraus etwas auf irgendeine Weise hervorgeht (id a quo aliquid procedit quocumque modo). Es kann sich dabei um ein Hervorgehen dem Sein nach oder dem Erkennen nach bzw. um ein reales oder ein erkenntnismässiges Hervorgehen handeln. Im ersten Fall haben wir es mit einem Seinsprinzip (Realprinzip), im zweiten mit einem Erkenntnisprinzip zu tun. Die Seinsprinzipien oder metaphysischen Prinzipien, von denen hier die Rede ist, sind formell nicht Seins- sondern Erkenntnisprinzipien. Trotzdem nennt man sie analog Seins- oder metaphysische Prinzipien, weil sie sich unmittelbar aus den obersten Begriffen des Seins und des Nichtseins ergeben.
In neuerer Zeit pflegt man allgemein vier solche Prinzipien anzuführen:
1. Das Kontradiktionsprinzip (principium contradictionis)
Das Kontradiktionsprinzip steht an erster Stelle. Sobald der Verstand die Begriffe des Seins und des Nichtseins erworben hat und sie miteinander vergleicht, leuchtet ihm das Verhältnis des Gegensatzes oder des Widerspruchs ein, das zwischen ihnen besteht. Das ist der Inhalt des Kontradiktionsprinzips, welches sich so ausdrücken lässt: Das Gleiche kann unter demselben Gesichtspunkt nicht zugleich sein und nicht sein. Thomas sagt: «Illud quod primo cadit in apprehensione est ens, cuius intellectus includitur in omnibus quaecumque quis apprehendit. Et ideo primum principium indemonstrabile est quod non est simul affirmare et negare, quod fundatur supra rationem entis et non entis: et super hoc principio omnia alia fundantur» (STh I-lI, q. 94, art. 2 c.).
Das Kontradiktionsprinzip wie auch die anderen obersten Prinzipien sind unmittelbare analytische Urteile – also Urteile, in denen das Verhältnis von Subjekt und Prädikat sich direkt bzw. ohne Beweisführung allein aus der Analyse des Subjektes ergibt -, die jedermann durch sich einleuchten. Sie müssen daher nicht bewiesen werden, und sie können auch nicht direkt bewiesen werden, sondern nur indirekt, indem man die Absurdität des Gegenteils aufzeigt.
2. Das Identitätsprinzip (principium identitatis)
Das Identitätsprinzip lautet: Jedes Seiende ist das, was es ist. Dieses Urteil ist nicht tautologisch, denn es drückt die Einheit jedes Seienden aus. Aufgrund dieser Einheit ist das Sein eben Sein, der Mensch Mensch, das Tier Tier usw. Das Sein und die Einheit sind zwar real identisch. Doch fügt die Einheit in unserem Denken zum Sein einen besonderen Gesichtspunkt hinzu.
3. Das Prinzip des ausgeschlossenen Dritten (principium exclusi tertii)
Zwischen dem Sein und dem Nichtsein gibt es kein Drittes, kein Mittleres. Dieses Prinzip wurzelt im Kontradiktionsprinzip. Es besagt im Grund das gleiche wie das Kontradiktionsprinzip und stellt nur eine andere Formulierung desselben Sachverhaltes dar.
4. Das Prinzip des hinreichenden Grundes (principium rationis sufficientis)
Seit Leibniz wird auch das Prinzip des hinreichenden Grundes zu den obersten Prinzipien oder Axiomen gerechnet: Nichts ist ohne hinreichenden Grund. Positiv ausgedrückt besagt dieses Prinzip, dass jedes Seiende einen Seinsgrund haben muss, das heisst einen Grund, um dessentwillen es ist und nicht nicht ist. Das ist leicht einzusehen. Besässe nämlich irgendein Seiendes keinen Seinsgrund, so würde es sich vom Nichts nicht unterscheiden, denn es ist dem Nichts eigen, keinen Seinsgrund zu haben, da es ja dem Sein entgegengesetzt ist. Der hinreichende Grund für die Existenz eines Dinges kann in diesem selbst oder in einem anderen liegen. Das unendliche Sein, Gott, hat ihn in sich. Das endliche Sein besitzt ihn ausserhalb von sich, nämlich in einer Ursache.
Das Prinzip des hinreichenden Grundes ist in seiner allgemeinen Formulierung ein transzendentales Prinzip. In seiner Anwendung auf das endliche Sein wird es zum Kausalitätsprinzip (Alles, was entsteht/wird, hat eine Ursache – omne quod fit, habet causam), und dieses ist nicht mehr transzendental, da es sich nur auf das endliche Sein bezieht.
Gion Darms: Von der Philosophie fürs Leben lernen. Peter Steinegger, Carl J. Wiget, Stefan Pfyl, Franz Xaver von Weber, 2012, S. 162-163.
In Memoriam Dominikanerpater Dr. Gion Darms († 13. Oktober 2014)
Der frühere Professor am Kollegium Maria Hilf in Schwyz ist am Montag, 13. Oktober, im Alter von 84 Jahren gestorben. Als ehemaliger langjähriger Lehrer fürs Gynasialfach Philosophie hat der Dominikanerpater Dr. Gion Darms an der Kantonsschule Kollegium Schwyz (KKS) viele Skripte geschrieben, die manch einen seiner Schüler fürs ganze Leben geprägt haben. Daraus ist ein handliches Lesebuch für ein breites Publikum entstanden, das eine Einführung in philosophische Grundfragen, Logik, Kritik und in das Denken bedeutender Philosophen vermittelt. Es wiederspiegelt den für den legendären Lehrer Gion Darms typischen Sinn für Systematik und Klarheit in der Gedankenführung und vermittelt auch Dokumente und atmosphärische Eindrücke vom damaligen Unterricht. Dr. Gion Darms – ein Philosophie-Lehrer fürs praktische Leben weiterlesen →
16. Katechese von Papst Benedikt XVI. zum Jahr des Glaubens
Mit einem weiten Blick auf Schöpfung, Erlösung und die menschliche Freiheit setzte Papst Benedikt XVI. am Mittwoch, 6. Februar seine Katechesereihe über das Glaubensbekenntnis fort: Er sprach über Gott, den „Schöpfer des Himmels und der Erde“. In der Schöpfung können wir Gottes Handschrift erkennen, so der Papst, und sie mit Hilfe der Offenbarung Gottes auch richtig lesen. „Frage: Kann man heute angesichts der heutigen Naturwissenschaften eigentlich noch von Schöpfung reden? Natürlich ist die Bibel kein Lehrbuch der Naturwissenschaft, das ist nicht ihr Sinn. Sie geht in eine tiefere Dimension, sie fragt uns nach dem, worauf Welt, Sein und unsere Existenz beruht und was eigentlich die Wahrheit und die Wirklichkeit unseres Lebens ist.