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Warum ich Christ bin

Vortrag von Karl Rahner zur Frage «Warum bin ich ein Christ?»

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Karl Rahner SJSehr verehrte Damen und Herrn, liebe Brüder und Schwestern in Jesus Christus! Ich danke zunächst P. Georg Sporschill und auch dem Wolfgang für seine freundlichen Begrüssungsworte. Insofern ich die Frage „Warum bin ich ein Christ?“ unvermeindlicherweise etwas abstrakt und allgemein beantworten muss, weil es technisch und praktisch gar nicht anders geht, ist vielleicht das, was ich zu sagen habe, ein klein wenig in einem Kontrast mit diesem freundlichen brüderlichen Empfang, den ich hier in dieser Lainzer Gemeinde gefunden habe. Wolfgang hat schon drauf hingewiesen, dass Jugendliche von hier – das darf man natürlich nicht ganz laut sagen – und ich so ein kleines Buch zusammen verfasst haben. Und das ist also objektiv ein kleines Dokument der herzlichen Beziehungen, die ich unvermuteterweise in meinen alten Tagen noch mit dieser Gemeinde gefunden habe. Ich danke also allen für die Einladung, für die herzliche Aufnahme und bitte sie nun ein Referat eines alten Theologieschulmeisters in Geduld anzuhören. Es hat auch einen gewissen Sinn, sich einmal ein bisschen mit seinen Gefühlen, Erwartungen, Emotionen, Stimmungen zurückzunehmen und nüchtern und sachlich zu fragen: „Warum bin ich ein Christ?“

Die Frage: „Warum bin ich ein Christ?“ ist eine radikal andere Frage als die Frage z.B. Warum lebe ich lieber in Wien als in Berlin? In einer solchen zweiten Frage wird ja nach einer Einzelheit des Lebens gefragt, die mit andern von ihr verschiedenen Wirklichkeiten in Beziehung gebracht wird, also deswegen, weil es sich von vornherein um zwei verschiedene Wirklichkeiten handelt, die miteinander in eine Beziehung gesetzt werden sollen, eine solche Frage ein von ihr verschiedenes Koordinatensystem hat, in das sie eingeordnet werden kann. Ein wirklich gelebtes Christentum aber ist das Ganze der menschlichen Existenz. Eine Rechtfertigung des christlichen Lebens kann daher nicht durch eine Einordnung in ein grösseres und umfassenderes Koordinatensystem geschehen über dessen Legitimität man schon vor einer solchen versuchten Einordnung einig wäre. Wenn das aber so ist, wie soll man dann auf diese Frage überhaupt antworten können, zumal, wenn im Unterschied zu früheren Zeiten kaum irgendetwas allgemein angenommen ist, das als auch von dem gebilligt vorausgesetzt werden kann, der einem diese Frage “Warum bist du ein Christ?” kritisch stellt. Wer einen zwingt auf eine solche Frage nach dem einen Ganzen der Existenz und der Wirklichkeit eine Antwort zu geben, muss, wenn er fair ist, wirklich damit rechnen, dass eine solche Antwort sehr fragmentarisch ist und vielleicht gerade auf das nicht eingeht, was der Frager selbst, an sich mit Recht, hören möchte. Für mich sind «Ich und Welt» eine unendliche Frage. Mir ist es selbstverständlich, dass es auch in der entferntesten Zukunft der menschlichen Erfahungsgeschichte und sekundär dazu auch der Wissenschaft nie einen Punkt geben wird, an dem alle Fragen beantwortet, alle Probleme aufgearbeitet und endgültig erledigt sein werden. Kann man diese Behauptung aufstellen? Ich glaube, man kann es und muss es, auch wenn ich jetzt mir einen genauen reflektierenden Beweis für diese Behauptung ersparen muss. Aber damit ist eigentlich eine ungeheuerliche Tatsache von vornherein festgestellt: Wir sind grundsätzlich und immer unterwegs, nie an einem Ende, immer diejenigen, die noch einmal weiterfragen können, die alles Erreichte noch einmal übersteigen und in eine Unendlichkeit hinein überfordern können. Ich wundere mich eigentlich, wie und mit welchem Recht die meisten meiner Zeitgenossen diese meine Überzeugung teilen, auch die, die leugnen, dass es das oder den gibt, den ich Gott nenne. Solche Leute müssten ja eigentlich der Überzeugung sein, dass man grundsätzlich schliesslich hinter alles und jedes kommen könne. Die partikuläre Wirklichkeit, die ich selber bin, letztlich doch alles, weil es ja nur die Summe von solchen Partikularitäten ist, durchschaut werden könne und dann in seine Banalität, letztlich ins Nichts fallen gelassen werden könne. Das Nichts selber, in das man bei derartigen Fragen hineinfahren würde, bedürfte dabei ja keiner Problematik und keiner Aufklärung, wenn dieses Nichts wirklich nichts ist und man mit diesem Wort, das ja gar nicht geheimnisvoll sein dürfte, nicht etwas ganz anderes bezeichnet.

[08:00] Aber mich umfängt und durchdringt das ewige Geheimnis, das unendliche Geheimnis, das alles andere ist als die zusammengekratzten Restbestände des vorläufig noch nicht Gewussten und noch nicht Erfahrenen, mich und Sie umfasst das Geheimnis, das in seiner Unendlichkeit und Dichte zugleich, äusserst und innerst den tausend zersplitterten Wirklichkeiten ist, die wir unsere Erfahrungswelt nennen. Dieses Geheimnis ist da, spricht sich aus, indem es schweigt; es lässt gelassen die reden, die erklären, von ihm zu reden bewirke nur sinnloses Geschwätz. Ich kann den Ärger und die Gereiztheit derer schon verstehen, die so reden. In dem Augenblick, in dem man dieses Geheimnis, das alles schweigend umfasst, nicht anbetend liebt, wird es einem zum Ärgernis; es ist da, lässt sich nicht einordnen, es scheint nur zu schweigen und alle unsere eigenen Deutlichkeiten und Sicherheiten aufzuheben. Wenn man sich ihm nicht liebend ergibt, kann man es nur empört leugnen, indem man in die Geschäfte des Alltags flieht und diesen im Letzten doch mehr Gewicht zuerkennt als sie, die Flüchtigen und Sterbenden, von sich aus wirklich haben. Dieses Geheimnis, das alle Einzelwirklichkeit Grund und aller Erkenntnis und Freiheit Raum und Horizont gewährt, nenne ich Gott.

Es muss nicht noch umständlich bewiesen werden, wenn es auch allen Beweisenden nachdenkenswürdig ist, dass wir es insgeheim schon immer vorausgesetzt und mitgenannt haben, wenn wir auf den Märkten des Alltags oder in den Hörsälen der Universitäten über abertausend Dinge zu reden beginnen. Wenn ich innehalte und schweige, alle die vielen einzelnen Wirklichkeiten meines Lebens in ihren einen Grund zurücktreten lasse, alle einzelnen Fragen zu der Frage werden lasse, die durch alle Einzelfragen und alle Einzelantworten zusammen zu nicht beantwortet werden kann, sondern aus ihr selbst das unendliche Geheimnis hervortreten lässt, dann ist dieses Geheimnis da und es beunruhigt mich im Letzten nicht mehr, was eine rationalistische Wissenschaft dazu skeptisch meint, sagen zu können. Ich meine dann gar nicht, dass ich mich in irrationalen Gefühlen verliere, sondern, dass ich an dem Punkt des Geistes, der Vernunft und Einsicht angekommen bin, an dem alle Rationalität erst entspringt. Die traditionellen Gottesbeweise werden von mir nicht verachtet, aber ich lese sie als zwar sinnvolle und notwendige aber doch sekundäre Auslegungen und Verbalisierungen jener Erfahrung, in der ich schweigend vor das unendliche Geheimnis gerate. [12:44] Die ungeheure, alles in einem Erzittern machende Erfahrung ist die: Ich kann auf dieses alles umfassende, alles tragende und durchdringende, alles distanzierende und doch für sich einnehmende Geheimnis zugehen, ich kann es anreden, ich kann beten. Ich weiss, wenn solcher betende Zugang geschieht, ist dies nochmals die Tat dieses Geheimnisses selber. Aber eben sie macht, dass ich vor diesem Geheimnis bin, von ihm verschieden, in meine eigene Wirklichkeit hineingestellt, so dass ich, wenn ich auf es zugehe, nicht vergehe, sondern gerade dieses unendlichen Geheimnisses teilhaftig werde. Ich erfahre in dem, was wir Christen Gnade nennen, dass dieses Geheimnis, um es selber zu sein, nicht nötig hat, mich bloss in unendlicher Ferne von sich zu distanzieren, dass es vielmehr sich selber gibt als unsere Erfüllung.

Das einzige Verbot des Christen

[14:22] Es ist dem Christen verboten und das ist eigentlich das einzige Verbot, das ganz ernst genommen werden muss, verboten, sich mit weniger als der unendlichen Fülle Gottes zu begnügen, sich im Endlichen endgültig glücklich anzusiedeln oder in dieser Enge zu ersticken, frevelhaft bescheiden zu meinen, Gott könne im Ernst, diese durch tausend Bedingtheiten endliche Kreatur nicht ernst nehmen.

Die Welt hat nicht nur im Menschen begonnen, zu sich selber zu kommen, vielleicht auch noch irgendwo anders, sondern Gott hat schon begonnen, zum Menschen zu kommen und der Mensch zu Gott. Es mag künftig noch tausend evolutive Aufgipfelungen, qualitative Sprünge usw. geben, die noch nicht sind, aber noch kommen werden. Aber die unendliche nicht überbietbare Selbstzusage Gottes, des unendlichen Gottes, an den Menschen ist da, durchdringt alles, ist die innerste Entelechie und Dynamik der Welt. Natürlich gibt Gott selber in diesem Geschäft letzte Dynamik und letzte Entelechie der Welt und ihrer Geschichte zu sein, nicht auf. Der Urknall verkündet nicht die Geburt Gottes selbst, sondern unsern Anfang, wenn man will, sonst wäre ja Gott nicht er selber.

[16:40] Zum Geheimnis gehört, dass wir es nur dann brauchen können, wenn es selber uns nicht braucht. Nur im Akt der Liebe von beiden Seiten, können wir sagen, dann freilich mit Meister Eckehart, dass Gott ohne uns nicht leben könnte, denn nur in diesem Akt der Liebe empfängt man so, dass man das Empfangene auch absolut freigibt, Gott gewissermassen Gott in seiner eigenen unverbrauchbaren Göttlichkeit sein lässt. Das ist das Geheimnis der Liebe und diese Liebe ist das Geheimnis, das sich uns selber zugesagt hat. Wo diese Selbstzusage Gottes auf das personale Selbst des Menschen auftrifft, seine Dynamik auf Gottes Unmittelbarkeit selbsthin radikalisiert und Gott in sich selbst, wenn natürlich auch als das unumfassbare Geheimnis, zum Zielpunkt und zugleich zur Dynamik des menschlichen Geistes und seiner Geschichte macht, ist schon in einem wahren, wenn auch noch nicht reflektierten und noch nicht verbalisierten Sinne, das gegeben, was wir christlich Offenbarung im eigentlichen Sinne nennen. Diese Offenbarung als Eröffnung eines unendlichen Horizonts, als Bewegung auf das unendliche Geheimnis als solches hin, als alles Einzelne übersteigende Freiheit, ist als geheime Kraft in der ganzen Freiheitsgeschichte der Menschheit gegeben, wo immer diese sich in tausend Gestalten zum unumfassbaren Geheimnis Gottes bekennt. Dieses Geheimnis ist erst recht wirksam und in der ganzen Länge und Breite der Religionsgeschichte gegeben. Mag in dieser Religionsgeschichte, die die Offenbarung Gottes im eben angedeuteten Sinn gegenständlich macht, verbalisiert und institutionalisiert, bei dieser Objektivation das eigentlich Gemeinte tausendmal zu kurz geraten und depraviert werden: der Christ hat dennoch das Recht und die Pflicht auf dieser Religionsgeschichte in ihrer Weite und Länge mit Ehrfurcht zu blicken, weil darin doch immer auch der Geist Gottes in der göttlichen Selbstmitteilung am Werke ist und den Menschen immer wieder mit einer letzten Ehrfurcht und einer bedingungslosen Hingabe an das unendliche Geheimnis seines Lebens erfüllt. Weil ich unter diesem Aspekt die Religionsgeschichte bedenke und darum von einer letzten Einheit in ihr trotz aller Vielfalt und Zerrissenheit in Widersprüche weiss, infiziert mich diese Religionsgeschichte nicht mit jenem geheimen skeptischen Relativismus vieler Zeitgenossen, der die Religionen immer nur als Gemächte primitiver Bewusstseinszustände sehen, Gemächte, die langsam am Absterben sind.

[21:20] Viele einseitige und zu kurz geratene Objektivationen dieser ursprünglichen Gottesunmittelbarkeit des Geistes mögen absterben. Dadurch ist nur das Unwesen, nicht das Wesen der Religion bedroht. Ich sehe getrost in die Zukunft der Religion. [21:52] Wenn sich, natürlich ein absurder Gedanke, der Mensch zu einem Wesen ohne jede absolute Sehnsucht, ohne Metaphysik, zu einem nur noch findigen Tier oder zum Untertanen seiner eigenen Computer entwickeln, zurückentwickeln würde, nun, dann wäre eben doch nur das Ende der Menschheit gekommen, wenn auch auf eine bisher nicht erwartete Weise, ein Ende, das zu erwarten der Gläubige immer schon als einen Teil seines Credos betrachtet hat. Dieses Ende würde für die vorausgehende Religionsgeschichte, als der Geschichte einer unendlichen Hoffnung, kein negatives Urteil über diese Hoffnung bedeuten. Dieses Ende wäre dann nur der geistespolitisch durchgeführte Selbstmords der Menschheit, der denen Recht gibt, die vorher lebten und glaubten.

Suizid ist keine höhere Instanz gegen das Leben

Die künftige Religionsgeschichte und damit auch die Kirchengeschichte möge noch ganz unvorstellbare Gestalten der Religion hervorbringen. Es ist schwer zu sagen, wie der Platz aussehen wird, den ein verbalisiertes und institutionalisiertes Verhältnis des Menschen zum ewigen Geheimnis einnehmen wird. [23:57] Aber solange der Mensch der Mensch des unendlichen Geheimnisses Gottes ist, wird auch Religion sein, die in irgendeiner Weise auch auf den Märkten des Alltags bezeugt werden wird. Ob die Zahl der Menschen, die ihre Religiosität gesellschaftlich institutionalisiert leben werden, im Verhältnis zur Gesamtheit der Menschen grösser oder kleiner werden wird, das ist eine Frage, auf die ich keine Antwort habe, die aber für den, dessen Gewissen ihn zu solcher Sozialität der Religion verpflichtet, keine fundamentale Bedeutung hat. Darüber, dass das Christentum auch als solches überleben wird, muss noch im Folgenden eigens Auskunft gegeben werden.

Das Christentum wird überleben

[25:10] Mein Christentum bedeutet nun aber nicht nur die radikale Offenheit in Anbetung, Ergebung und Liebe auf das unsagbare Geheimnis Gottes hin. Mein Christentum hat nicht nur, wenn man so sagen will, einen transzendentalen, einen pneumatologischen Charakter, mein Christentum hat auch und wesentlich eine geschichtliche Dimension. Dieses Christentum bekennt nämlich, dass dieses Selbstangebot des unendlichen Geheimnisses als Erfüllung des Menschen nicht nur die äusserste und radikalste Möglichkeit des Menschen von Gott her gegeben für seine Freiheitsgeschichte ist, sondern auch, mindestens einmal auf das Ganze der Menschheitsgeschichte hin gesehen, durch die Kraft dieses Angebotes sich tatsächlich siegreich in der Welt durchsetzt und sich in dieser Irreversibilität und in diesem Sieg in der Geschichte schon gezeigt hat. Das geschichtliche Ereignis, in dem das Angebot Gottes an die Menschheit irreversibel wurde und in diesem Sieg auch geschichtlich greifbar ist, findet der christliche Glaube in Jesus Christus.

Er, der Gekreuzigte und Auferstandene, ist der, der diese irreversible Selbstzusage Gottes an die Welt in seiner Verkündigung vom Nahegekommensein des Reiches Gottes verkündigte, der in seiner Einheit mit Gott und in seiner bedingungslosen Solidarität mit allen Menschen zugleich sich als das Ereignis dieser nicht mehr aufhebbaren Nähe Gottes zu Welt wusste, dieses Gekommensein im Absturz in die Leere und Ohnmacht des Todes festhielt und der erfahren wurde als der, der in diesem Tod als der einen und ganzen Übergabe an das Geheimnis wirklich mit seiner ganzen Existenz bei Gott angekommen und gerettet ist, erfahren wird als der Auferstandene. Für mich ist Jesus die nicht mehr aufhebbare, unwiderrufliche Selbstzusage Gottes an mich in der Geschichte, das letzte unüberbietbare und unwiderrufliche Wort Gottes, das Wort schlechthin. Für mich hat daher, ich kann das nicht näher ausführen, die klassische Christologie von Ephesus und Chalcedon, keinen mythologischen Beigeschmack, wenn ich auch gestehen muss, dass die Christologie vieler frommer Mitchristen, trotz ihrer verbalen Orthodoxie, mir von solchen mythologischen Amalgamen nicht frei zu sein scheint, auch nicht einmal bei amtlichen Vertretern dieser kirchlichen Christologie. Ich habe nun einmal, ehrlich gesagt, den Eindruck, dass der Satz wie: Jesus ist Gott, unsagbar wahr und heilschaffend sein kann und ebenso schrecklich töricht missverstanden werden kann. Im ersten Fall nämlich ist dies ein Satz einer einmaligen Einheit von Gott und Mensch. Im zweiten Fall ein falscher Satz von Identität, der nur heterodox als Ausdruck der Rechtgläubigkeit verstanden werden kann, obwohl manche fromme Leute meinen, sie müssten das Sacrificium intellectus, das Opfer ihres Intellekts, zu einem solche Identitätssatz bringen. Ich meine, man kann auch in der Christologie mit dem Konzil von Chalcedon viel rationaler sein als manche Leute meinen.

Das letzte und eigentlichste Mysterium der Christologie ist schliesslich doch in dem gegeben, was wir für uns alle erhoffen, erhoffen dürfen und müssen, wenn wir Christen sein wollen, nämlich dass Gott als er selber sich dem Menschen mitteilen kann, ohne dass er doch wieder durch eine kreatürliche, von ihm verschiedene, Wirklichkeit vertreten werden muss und ohne dass bei dieser Mitteilung der Mensch in sich selber ins Nichts sich auflösen würde. Darum stehen mein Glaube an meine eigene Vollendung in Gott selber und der Glaube an die Menschwerdung Gottes in Jesus für mich nahe beieinander, auch wenn sie nicht identisch sind, gehören in die eine Grundüberzeugung hinein, dass Gott, ohne aufzuhören das unendliche Geheimnis zu sein, ein Gott unsagbarer Nähe sein wollte und unwiderruflich ist. Christologie, die von der Menschwerdung Gottes zeugt und Pneumatologie, die von der Mitteilung Gottes an sich selbst im Heiligen Geiste in unsere Existenz redet, gehören im christlichen Glauben unlösbar zusammen. Dass die geschichtliche Erscheinung der unwiderruflichen Einheit von Gott und Welt, gerade in Jesus von Nazareth sich ereignet hat, das ist natürlich nicht spekulativ abzuleiten, sondern gehört in die unauflösbare Faktizität und Einmaligkeit der Geschichte. Immerhin aber kann ich verstehen, dass die reale Begegnung mit dem Absoluten, wo diese nicht nur gedacht, sondern angenommen und realisiert wird, in der Faktizität der Geschichte geschieht und nicht in der abstrakten Dimension der Ideen allein. Man kann Ideen und Spekulation lieben, kann sie zum eigentlichen Menschsein rechnen, darf sie nicht abwerten als überflüssigen Luxus und Zeitvertreib. Aber auch wenn solcher Aufstieg in solche Höhen des Geistes zur vollen Erleuchtung führen würde, in der alle Schleier trügerischer Vergänglichkeit zu fallen scheinen, müsste eine solche Erleuchtung wie sie uns heute die östlichen Kontemplationslehren anbieten dennoch noch durch die Nacht des Todes hindurchgehen, um endgültig und glaubwürdig zu werden. Und da hinein müsste einer alles, wenn auch verwandelt mitnehmen, was er ist und was er hat, alles, seine ganze Geschichte mit Leib und Seele. Und der Weg der Transzendenz und der Mystik und der Kontemplation ist erst zu Ende, wenn der Weg der Geschichte im Tod zu Ende ist. Und darum schaue ich, wenn ich all die hohen Worte von einer dem Menschen möglichen Kontemplation höre, doch aus nach dem, der in der Geschichte mit mir und für mich gestorben ist und bei dem ich mit einer unübersehbaren Zahl meiner christlichen Brüder und Schwestern den Mut des Vertrauens habe, das nirgends sonst in der Geschichte jemand von mir zu fordern wagt, dass dieser Tod Jesu im Leben Gottes selber angekommen ist. Ich bin nicht nur Idee, ich kann die Geschichte nicht aus meiner Idee auslassen, darum weiss ich, dass ich an der Geschichte Jesu mich nicht vorbeidrücken kann, obwohl sie natürlich auch mit all der Relativität des Geschichtlichen und mit all der Dunkelheit historischer Erkenntnis belastet ist. Weil ich Mensch und Christ bin, ist es für mich im Letzten doch selbstverständlich, dass ich ein Christ in der Kirche, ein kirchlicher Christ bin.

[37:08] Ich möchte das Denken und die freie Entscheidung nicht sozialisieren, Verstand und Freiheit bei einem Kollektiv abliefern. Aber ich kann mich nun einmal nicht so wichtig nehmen, dass mir meine eigene Überzeugung dann noch wirklich radikal wichtig wäre, wie es dem Glauben einer als totaler Lebensentscheidung eigen sein muss, wenn diese meine Überzeugung von vornherein und nur die meine sein wollte. Wenn Religion das Eigentlichste und das Ganze des Menschen meint, dann kann sie gar nicht von vornherein bloss das individuelle und das innerlichste des Menschen allein meinen wollen. Religion muss meine eigene und freie Überzeugung sein, muss in der innersten Mitte meiner Existenz erfahren werden können, aber diese Existenz findet sich selber nur in einer Gemeinschaft und Gesellschaft, indem sie sich gebend und empfangend öffnet. Überdies ist ja das Christentum eine geschichtliche Religion, bezogen auf den einen Jesus Christus. Aber von ihm habe ich doch nur durch die Kirche und nicht anders gehört. Ich kann mir darum kein privatistisches Christentum leisten, das seine eigene Herkunft verleugnen würde. Ich muss diese geschichtliche Herkunft meines Christentums durch meine eigene Kirchlichkeit bezahlen. Damit sind natürlich noch längst nicht alle Gründe für die Kirchlichkeit eines Christen genannt, noch nicht einmal vielleicht die wichtigsten, aber das mag hier nun genügen. Ein solcher kirchlicher Christ weiss natürlich um die Geschichtlichkeit der Kirche; er weiss darum auch um all das Menschliche, Allzumenschliche und Unmenschliche, das in dieser Geschichte der Kirche an Haupt und Gliedern geschehen ist in Vergangenheit und in Gegenwart. Ein Christ, der an die echte Herkünftigkeit der Kirche von Jesus Christus und darum an ihr Wesen als das Grundsakrament des Heiles für die ganze Welt glaubt, kann sich bei dieser nur zu oft allzumenschlichen Geschichte der Kirche nicht so unbefangen wie bei anderen geschichtlichen Gebilden darauf berufen, dass es eben um eine Geschichte von armen Menschen sich handle, die sich überall auf der Bühne der Weltgeschichte furchtbar schrecklich aufführen und aufgeführt haben. Der Christ muss natürlich hoffen und erwarten, dass der Sieg der Gnade, den die Kirche auch in ihrem eigenen Erscheinungsbild verheissen soll, mit strahlendem Glanz in ihrer eigenen Geschichte offenbar werde. Es gibt darin aber diese Offenbarung, die nur der grämliche Menschenverächter aus Grundsatz übersehen kann. Aber der Christ würde wünschen, dass dieser göttliche Glanz erheblich deutlicher sei. Der Christ wird diese seine bescheiden machende Erfahrung realistisch als Tatsache hinnehmen, auch wenn er sie nicht ganz erklären kann und noch weniger rechtfertigen darf in einem billigen Triumphalismus, wie man das Gemeinte auf dem letzte Konzil genannt hat. Da aber ein ehrlicher Christ, der sich selbst als armen Sünder erkennt, seinen eigenen Beitrag an dieser Verdunklung der Erscheinung der Kirche leistet, wird er gewiss nicht pharisäisch aus dieser Verdunklung ein Recht ableiten, sich von dieser Kirche der Sünder zu distanzieren. Recht auf Kritik hat er natürlich immer. Eine letzte Identifikation mit dem Grundwesen der Kirche, die dieser Kirche nie verloren ging oder geht, bedeutet ja kein Einverständnis mit allem und jedem, was in dieser Kirche getan wurde oder getan wird, auch nicht mit allem, was die Hierarchie oder der Papst tun und auch nicht mit allem und jedem, was in der Kirche als offizielle Lehre vorgetragen wird. Für mich ist zwar das eigentliche Dogma der Kirche eine schlechthin verpflichtende Grösse. Und ich musste als Christ und als Theologe gar nicht selten mit einer gewissen Anstrengung des Geistes und des Herzens fragen, was mit einem bestimmten Satz, den das kirchliche Lehramt als Dogma vorträgt, eigentlich gemeint sei, um eine Zustimmung ehrlich und ruhig leisten zu können. Ich habe aber in meiner eigenen Lebensgeschichte keinen Fall erlebt, in dem mir dies nicht möglich gewesen wäre. Wenigstens dann nicht, wenn ich mir auch bei solchen Dogmen klar machte, dass sie alle nur mit einem ihrem Richtungssinn auf das Mysterium Gottes selbst richtig verstanden werden, dass sie immer in einer auch geschichtlich bedingten Gestalt auftreten, immer unvermeidlich mit gewissen Amalgamen verbunden sind, die nicht eigentlich zu ihrem Aussageinhalt gehören und diesen doch missverständlich machen können, dass diese Dogmen in ihren Formulierungen auch Sprachregelungen sind, die von der gemeinten Sache her nicht immer gerade so sein müssten, wie diese Sprachregelung vom kirchlichen Lehramt verbindlich vorgeschrieben ist.

[45:22] Anders ist es aber bezüglich dieser oder jener, relativ untergeordneten Lehre, die auf dem Gebiet der Exegese, der systematischen Theologie, der Moraltheologie vom römischen Lehramt vorgetragen wurde oder vorgetragen wird als amtliche Lehre mit dem Anspruch verbindlich, wenn auch nicht definierend zu lehren.

[46:38] Um nur Beispiele und zwar aus jüngster Zeit zu erwähnen, so finde ich weder unter Sachargumentation noch von der formalen tatsächlich in Anspruch genommenen Lehrautorität der Kirch her einen überzeugenden und zwingenden Grund, der umstrittenen Lehre aus Humanae vitae Pauls VI. oder der Erklärung der Glaubenskongregation zuzustimmen, die die Ordination der Frau grundsätzlich und für alle Zeiten und Kulturen ausschliessen will. Aber eine solche Identifikation mit jedweder kirchenlehramtlichen Erklärung ausserhalb des eigentlichen Dogmas verlangt die Kirche nicht nur faktisch nicht von mir, sondern auch nach den Prinzipien in dieser Frage nicht, die sie in ihrer normalen Theologie selber lehren lässt. Ist dem aber so, dann braucht ein Christ und ein Theologe bei solchen Distanzierungen nicht das Gefühl haben, er marginalisiere sich selber durch seine Haltung in der Kirche. Als Theologe hat er es dann vielleicht nicht in jedem Falle bequem. Es kommen wohl auch heute noch sachlich unberechtigte administrative Massnahmen vor, durch die die legitime Meinungs- und Forschungsfreiheit der Theologen ungebührlich eingeschränkt wird. Man kann aber solchen Engen in der faktischen Kirche auch nicht von vornherein dadurch begegnen wollen und abhelfen wollen, dass man das Lehramt vor das Dilemma stellt, entweder das reine Dogma allein zu verkünden und zu schützen oder einfach ganz zu schweigen. So einfach ist es eben nicht. Und darum bleibt dem Theologen nichts übrig als nach Kräften dahin zu wirken, dass solche Fehlgriffe der amtlichen Lehrinstanzen faktisch möglichst selten passieren auch wenn es kein apriorisches Rezept für eine völlige Vermeidung gibt und im übrigen solche Fehlgriffe in Geduld unter jene Mängel und Sünden zu rechnen sind, die in der Geschichte der Kirche der Sünder nie fehlen werden. All das aber berührt im Letzten die Kirchlichkeit eines Christen und Theologen in seinem eigentlichen, existentiellen Verhältnis zur Kirche nicht. Ich kann zwar verstehen, dass es Christen gibt, die sich von ihrem Gewissen her legitimiert oder sogar verpflichtet fühlen, aus der Kirche auszuwandern, genau so wie ich vielen Menschen ein gutes Gewissen zu Handlungen auf dem Gebiet des Sittlichen zubillige, die mein Gewissen für mich und an sich schlechthin verwirft, aber darum bleibt für mich die Kirchlichkeit meines Christentums und auch meiner Theologie dennoch selbstverständlich. Diese Möglichkeit eines legitimen Ausgleiches gibt es natürlich nicht nur auf dem Gebiet der kirchlichen Lehre, sondern erst recht bezüglich der Teilnahme am kirchlichen Leben. Wenn man genauer zusieht, kann man feststellen, dass die amtlichen Normen für das kirchliche Leben auch in der katholischen Kirche dem Christen einen ausserordentlich weiten Spielraum für die individuelle Gestaltung seines christlichen Lebens einräumt. Das Haus der Kirche ist viel weiter und längst nicht nur aus den Räumen bestehend, die eng und stickig sind. Man sollte zwar die Bedeutung, die religiöse Kraft und selbst eine gewisse theologische Normativität der Volksfrömmigkeit nicht unterschätzen, die oft viel grossartiger ist, mehr von Gott versteht als ein dünner Rationalismus und bürgerliche Wohlanständigkeit, aber im Hause unseres Vaters sind viele Wohnungen unter denen man aussuchen kann, ja muss, wenn man sein eigenes Leben vor Gott verantworten will. Dabei wäre es wünschenswert, wenn die kirchliche Verkündigung und die amtlich eingesegnete Praxis, wie sie in Durchschnittspredigten und Kirchenblättern sich äussert, etwas mehr von der Weite der Kirche und von der Freiheit eines Christenmenschen merken liessen. Man kann zwar kein Vaterland haben, wenn man nicht auch mit seinen Spiessbürgern und Nachtwächtern zu leben bereit ist. So ist es auch bei der Kirche, man darf aber auch den Katholizismus eines bestimmten Landes nicht einfach mit der Kirche überhaupt identifizieren und sie die Enge und Hartherzigkeit eines solchen regionalen Katholizismus entgelten lassen. Aber auch in einer Teilkirche eines solchen Katholizismus, in einem Stück der einen ganzen Weltkirche, wird das Wort von Gott und seiner Gnade verkündet, wird seine Vergebung einem zugesagt und der Tod und die Auferstehung Jesu gefeiert, bis er wiederkommt. Mir will scheinen, dass solche, die gar zu sehr an der Kirche zu leiden sagen ihr eigentliches Wesen und ihr letztes Verhältnis zur Kirche nicht recht verstanden haben.

Wenn ich eigentlich selbstverständlich und unbefangen, ja sogar mit einer gewissen Trägheit des Geistes, die aus der Gewohnheit kommt, mein Christentum und zwar in der Kirche lebe, dann kann es natürlich Augenblicke geben, in denen ich mich erschreckt frage: Was machst du da eigentlich? Dann sage ich mir zu dem hinzu, das da ist, auch wenn es unaussprechlich ist: Du kannst zu keiner grösseren Helligkeit fliehen, als du sie hast, und du hast kein Recht, zu Gunsten einer radikaleren Lebensentscheidung in eine grössere Finsternis dich fallen zu lassen, weil die Helligkeit, die du hast, strahlender und zwingender könnte gewünscht werden als du sie besitzest. Ich sage weiter zu mir: Du nimmst gelassen und in ruhiger Hoffnung das unbegreifliche Geheimnis an. Was könnte, wenn du das tust, eigentlich dann im letzten fehl gehen? Was könnte ich denn anderes wählen, was nicht schon längst durch dieses Geheimnis, dem du dich doch ergibst, umfasst wäre? Ich sage mir: Du wirst sterben und dein Tod wird dann deine ganze Existenz und auch deine Theorie, die du darüber machst, treffen. Ist es da nicht einzig sinnvoll, mit Jesus in seinen Tod hineinzusterben, daraufhin jetzt mit ihm zu leben? Ich sage mir dann: Ist das zusammen nicht eigentlich schon das Christentum? Kann man nicht alles andere an diesem Christentum, mag es auch schwer verständlich und schwer erträglich sein, einfach hinnehmen, weil alles eben doch nur zusammen gehabt werden kann? Wenn ich mich so frage und mir so antworte, dann scheint es mir erlaubt zu sein, mein Christentum doch für selbstverständlich zu halten, das Unbegreifliche sehr begreiflich zu denken und zu leben, wenigstens im Versuch.

Schluss

Das, was ich eben vielleicht etwas abstrakt gesagt habe, zu verdeutlichen: Neulich, weiss nicht ob das empfehlenswert gewesen wäre, hab ich faktisch das Buch eines amerikanischen Spiritisten, in Deutschland erschienen oder ins Deutsche übersetzt, gelesen. Da wird also einem durch angebliche oder richtige, das ist mir gleich, Erfahrungen gelehrt, dass der Mensch nach dem Tod weiter existiert und weiter handelt. Aber wenn man dann genauer zusieht, was in diesem Leben jenseits des Todes in der Nähe zu uns passiert, dann, entschuldigen sie, wenn ich da so grob sage, sind es nur die Albernheiten meines jetzigen Lebens, da wird weiter geforscht, da unterhält man sich weiter, da macht man neue Kompositionen im Stile von Mozart oder Schubert usw. Da hat man vielleicht auch noch einmal sogar, nach diesem Spiritisten, Krach miteinander und ich sage mir dann: Himmel noch einmal, da hab ich doch in der Botschaft des Christentums eine ganz andere eine ungeheuer radikale Aussicht, nämlich, dass ich nicht nur mich so langsam in immer höhere Sphären hinaufschwinge in meiner weiteren Entwicklung nach meinem Tod, sondern natürlich durch die Gnade Gottes, dem ewigen Gott als einem solchen begegne. Und im Unterschied zu solchen Spiritisten habe ich die Überzeugung, dass das nicht nur bei so ein paar sublim Erleuchteten, von einer östlichen Kontemplation eingeforderten, in die weiselose schweigende Unbegreiflichkeit Gottes, möglich ist, sondern von mir und von Dir von uns normalen Spiessbürgern des Alltags, die schauen müssen, dass sie was verdienen, die hoffen, dass sie ordentlich schlafen können und mit ihrer Umgebung auskommen können. Für diese alle, für uns alle sagt das Christentum, dass wir wirklich an einem absoluten unüberbietbaren unendlichen radikal gleichsam dichten Geheimnispunkt ankommen, in dem alles, was hier und auch im Jenseits sonst erfahren werden könnte, von vornherein radikal zusammengefasst, lebendig, ewig gültig ist, bei dem Punkt der Gott heisst. Ich habe wirklich nichts gegen östliche Meditationslehren, aber ich habe einen merkwürdigen Verdacht gegen so eine elitäre Mentalität, wenn sie nur zur grossen Erleuchtung über alle Raumzeitlichkeit hindurch stossen können, wenn sie diese Mystagogie östlicher Art praktiziert haben und endgültig fertig gebracht haben, dann meine ich, ist eigentlich damit eine so elitäre Auffassung des Menschen gegeben, denn die meisten, wir, bringen das ja alles gar nicht fertig. Das Christentum sagt aber, wenn du, natürlich nur dann, irgendwo in Deinem Leben es fertig bringst, Deinem Gewissen wirklich treu zu sein, wo sich nicht mehr lohnt, den Nächsten zu lieben, wo diese Liebe nicht mehr ein schlauer Ausgleich zwischen zwei Egoismen ist, wenn Du Deine unbelohnte Pflicht in Deinem Leben getan hast, dann vagierst Du nicht bloss in irgendwelchen weiteren Schichten und Sphären der Wirklichkeit nach dem Tod, sondern dann kommt Dir der ewige, der lebendige, der unendliche Gott des unsagbaren Geheimnisses entgegen und Du bist selig nicht durch irgendwelche weiteren Evolutionen, die Du Dir ausdenkst, sondern durch Gott selbst. Das ist, ich meine, die viel optimistischere, wenn ich so banal sagen dürfte, viel tollere Botschaft des Christentums gegenüber allen östlichen Erleuchtungen und das ist auch besiegelt durch Jesus, und die Erfahrung, die wir mit ihm machen, wenn wir sein Leben, seinen Tod und, wie wir das nennen, seine Auferstehung anschauen, dann wissen wir tatsächlich: Ich kann beim ewigen unendlichen Gott ankommen, da ist es passiert und in Jesus ist es passiert, in einer letzten Solidarität mit mir armem Tropfen und peripheren Phänomen der Naturgeschichte. Und darum kann ich glauben, dass ich bei dem unendlichen Geheimnis Gottes ankomme, wenn ich mit Jesus meinen Tod entgegennehme. Und diese beiden Dinge, die ungeheuerliche Zuversicht, Gott selbst zu erreichen, und nicht irgendwo bloss in einer weiteren Evolutionsphase stecken zu bleiben und die Garantie, die Jesus und sein Schicksal gibt, dass diese ungeheuerliche Zuversicht realisiert wird und gültig ist, diese beiden Dinge machen eigentlich das Christentum aus und wenn es Menschen gibt, denen Gott besser wie mir, diese selbe Gnade, diese doppelte Wahrheit zu glauben gegeben hat, dann gehören wir eben zusammen, dann feiern wir den Tod und die Auferstehung Jesu zusammen, dann sind wir Kirche, die gemeinsam bekennt und gemeinsam hofft und gemeinsam liebt. Weil wir alle Religionsunterricht gehabt haben, kann es vielleicht so aussehen, als ob das Christentum, gerade das katholisch kirchliche Christentum eine ungeheure Menge von Dingen sagt, einem indoktriniert und zu glauben befiehlt, in Wirklichkeit sagt das Christentum, das Selbstverständlichste, das gleichzeitig unbegreiflich ist. In Deinem Leben ist immer schweigend mit allem andern zusammen, was Du bist, was Du erfährst, umfassend, bergend, liebend, das namenlose Geheimnis am Werk, durchdringt alles, ist Dir nahe, auch dort, wo Deine blinden Augen das übersehen und Dir ist, dass Du da ankommst endgültig und unwiderruflich, verheissen in Jesus Christus, unserem Herrn, dem Gekreuzigten, dem Du da in dieses Geheimnis des Todes folgen musst und dem Auferstandenen. Beides zusammen ist ein Christentum, das eigentlich sehr einfach ist, das in seinem eigentlichen Sinne nicht eine x-beliebige partikuläre Religion ist neben vielen andern, die man sich auch denken kann, sondern das alle diese partikulären Möglichkeiten von vornherein und endgültig und in siegreicher Hoffnung übergreift, allerdings in das unendliche Geheimnis Gottes hinein. Und wenn Sie in ihrem Leben den Eindruck haben, es wird finster, eine unendliche Nebelwand der Enttäuschung, der Erfahrung der Endlichkeit usw. kommt auf Sie, dann brauchen Sie nur richtig zu sagen: Da, wo scheinbar alles ins Wesenlose sich auflöst, ist das Kommen Gottes Ereignis. Man muss es nur annehmen und man muss nur gleichsam Jesu Hand ergreifen und mutig hoffend in diese scheinbare Finsternis hineingehen, die die Helle des ewigen Lichtes ist. Christentum ist die grösste, die einfachste und darum die schwerste Sache, aber sie ist Ihnen eben ausdrücklich verbalisiert und institutionalisiert nahe gekommen und dadurch haben Sie sowohl eine ungeheure Chance, diesem ewigen Gott zu nahen, wie auch eine ungeheure Verantwortung, so klar, wie es Ihnen mindestens sein kann, ist der letzte Sinn, Ihres und aller Leben, sonst nirgends. Das ist Ihre besondere Gnade als Christ und Ihre besondere Verantwortung, der besondere Ernst Ihres Lebens.

Warum bin ich ein Christ? Ich würde beinahe sagen, weil, wenn ich es richtig verstehe, ich eigentlich von der unbegreiflichen Nacht und Helligkeit und Liebe Gottes umfangen bin und so eigentlich gar nicht wüsste, wohin ich vor diesem mich so von allen Seiten, von unten und oben, umfangenden Geheimnis weg fliehen könnte. Immer wieder kann man mit dem Wort Petri, Jo 6, sagen: “Herr, wohin sollten wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens!“

Weitere Hinweise und Quellen

Radio Vatikan

Karl Rahner Sammlung