Betrachtung zum vierten Advent von Felix Gmür, Bischof von Basel
In seinem vierten und letzten Beitrag geht der Basler Bischof darauf ein, dass Gott in Jesus Christus unüberbietbar nahe zu uns komme. Gott stehe uns in den Herausforderungen des Alltags bei, „wenn wir vielleicht einmal stocken, nicht genau wissen, wohin unser Leben uns führen wird“. Gott kenne das Ziel. Die folgende Adventsbetrachtung von Bischof Gmür, die der Bischof von Basel am 22. Dezember 2012 zum vierten Advent gehalten hat , kann gleichzeitig zum Text gehört werden.
Liebe Hörerin, lieber Hörer! Der adventliche Mensch weiß sich mit allen Fasern seiner Existenz vor Gott. Er lebt vollkommen in der Gewissheit der Gegenwart Gottes. Und gerade deshalb hat er keine Angst. Er glaubt. Er vertraut. Er schaut hoffnungsvoll in die Zukunft. Und er richtet sein Leben auf Erfüllung aus. Gott wird es erfüllen. Denn Gott ist bereits in meinem Leben angekommen, und er kommt stets neu. Deshalb kann der adventliche Christ sein Leben ganz in Gottes Hand übergeben und zuversichtlich in die Zukunft schreiten. Im Alten Testament gibt es dazu eine Erzählung. Abram schaut vertrauensvoll in die Zukunft. Wir hören aus dem 12. Kapitel des Buches Genesis:
„Der Herr sprach zu Abram: Zieh weg aus deinem Land, von deiner Verwandtschaft und aus deinem Vaterhaus in das Land, das ich dir zeigen werde. Ich werde dich zu einem großen Volk machen, dich segnen und deinen Namen groß machen. Ein Segen sollst du sein. Ich will segnen, die dich segnen; wer dich verwünscht, den will ich verfluchen. Durch dich sollen alle Geschlechter der Erde Segen erlangen. Da zog Abram weg, wie der Herr ihm gesagt hatte, und mit ihm ging auch Lot. Abram war fünfundsiebzig Jahre alt, als er aus Haran fortzog. Abram nahm seine Frau Sarai mit, seinen Neffen Lot und alle ihre Habe, die sie erworben hatten, und die Knechte und Mägde, die sie in Haran gewonnen hatten. Sie wanderten nach Kanaan aus und kamen dort an.“ (Gen 12,1-5)
Die Geschichte über Abrams Berufung ist gleichzeitig ein Bericht über sein Gottesvertrauen und seinen Lebensmut. Abrams Heimat könnten die Gebirge Nordsyriens gewesen sein. Da beginnt die Reise. Wohin? Das scheint zunächst unwichtig; Gott nennt kein Ziel. Er ruft Abram einfach aus seinem Leben heraus und fordert ihn auf wegzuziehen. Er legt ihm keinen Köder vor; er sagt nicht: „Geh fort ins Schlaraffenland, wo alles besser ist, das Ziel wird die Mühsal lohnen“. Nein, er sagt: „Geh, die Richtung werde ich dir dann schon zeigen“. Zunächst ist der Weg selbst entscheidend, die Tatsache, überhaupt die Energie aufzubringen, um loszuziehen, den Mut aufzubringen, sich Fremdem auszusetzen, sich wirklich auf die Wanderschaft zu machen und fortzugehen.
In gewisser Weise ist bei Abrams Berufung der Weg selbst das Ziel. Das bedeutet erst einmal, dass wir noch nicht am Ziel sind. Auch wir Christinnen und Christen sind noch auf dem Weg. Gott hat uns geschaffen, damit wir hier auf Erden leben und in diesem Leben dem Ziel entgegengehen. Die christliche Existenz, unser Lebensweg ist letztlich eine Wallfahrt auf Gott hin. Gott hat uns in jeweilige Lebenssituationen hinein, ja mutet uns manches zu. Aber er lässt uns nicht allein, sondern begleitet uns, genauso wie Abram, mit seinem Segen. Gottes Segen dürfen wir uns besonders in der Adventszeit vergewissern. Gott steht uns bei in den Herausforderungen des Alltags, wenn wir vielleicht einmal stocken, nicht genau wissen, wohin unser Leben uns führen wird. Gott kennt das Ziel. Deshalb ist die Adventszeit eine große Einübung in den Glauben. Glaube bedeutet hier Hingabe an Gott: Wir geben uns der Fügung Gottes hin, wir vertrauen vollkommen darauf, dass er uns den richtigen Weg weist und zum Ziel führt.
Abram ist in absolutem Gottvertrauen ausgezogen, in das Land, das Gott ihm zeigte. Und Abram ging nicht allein. Er nahm seine Frau Sarai, seinen Neffen Lot und die Knechte und Mägde mit. Gemeinschaft mit Gott setzt sich in der Gemeinschaft mit den Menschen fort. Mit seinen Nächsten teilt Abram den Glauben, das Vertrauen und den Segen Gottes. Der Advent erweist sich so auch als eine Einübung ins Leben der Gemeinschaft, eine Einübung ins Leben der Kirche. Denn mit unseren Mitchristen teilen wir den Glauben, das Vertrauen, den Segen Gottes.
Abrams Vertrauen wurde nicht enttäuscht. Ausdrücklich heißt es deshalb: „Und sie kamen dort an“. Gott will, dass wir ans Ziel kommen. Deshalb spricht er Abram überhaupt an. Gott kommt zu uns. Das ist das Wunder des Advents: Gott kommt. Das ist ja das absolut Neue und Umwerfende in der Heilsgeschichte: Gott interessiert sich für den Menschen, für sein Suchen und Gehen, für seine Wege, für sein Leben. Er zeigt an Abram, was er für alle Menschen sein will: ein Segen. So verbindet sich Gott mit uns Menschen. Gott offenbart nicht etwas von sich, sondern offenbart sich der Menschheit selbst und geht mit ihr eine innige Verbindung ein. Deshalb ist ihm nichts Menschliches fremd. Höhepunkt dieser Selbstmitteilung Gottes ist die Menschwerdung seines Sohnes. Gott verbindet sich existentiell mit uns Menschen und wird in Jesus Christus „in allem uns gleich, außer der Sünde“, wie das Konzil von Chalkedon definiert und wie wir im vierten Hochgebet beten. Gott kommt in Jesus Christus unüberbietbar nahe zu uns; und wir machen uns im Advent auf den Weg und gehen ihm entgegen. Wenn das kein Segen ist!
Weitere Hinweise und Quellen
- Radio Vatikan Audiodokument Artikel 649860 (Link vergriffen)
- iFIT Kirchenportal (Archiv) Audio-Datei: Bischof Felix Gmür zum 4. Advent 22.12.2012 MP3
- Betrachtung zum ersten Advent 2012 (Blog-Artikel): Kehrt um und glaubt an das Evangelium
- Betrachtung zum zweiten Advent 2012 (Blog-Artikel): Jesus stand auf und ging an einen einsamen Ort
- Betrachtung zum dritten Advent 2012 (Blog-Artikel): Was immer du tust, tue es mit Bedacht, und bedenke das Ende!
4 thoughts on “Gott kommt in Jesus Christus unüberbietbar nahe zu uns”
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