Bild: Louis A. Venetz

Kehrt um und glaubt an das Evangelium

Betrachtung zum ersten Advent von Felix Gmür, Bischof von Basel

Bild: Kirche in NotJeweils in der Samstagabendsendung hielt Bischof Gmür bei Radio Vatikan eine Meditation über die diesjährige Vorweihnachtszeit. In seinem ersten Beitrag ging er auf die gegenwärtige Jahreszeit ein und was sie für unser Leben bedeutet, gerade im Hinblick auf das große Christfest. Diese innere Ruhe sei wichtig und führe dazu, dass wir auf Jesu Worte zurückkehren: Kehrt um und glaubt! Die folgende Adventsbetrachtung von Bischof Gmür, die der Bischof von Basel am 2. Dezember 2012 zum ersten Advent gehalten hat, kann gleichzeitig zum Text gehört werden.

Liebe Hörerin, lieber Hörer! Der Advent ist eine außerordentlich intensive Zeit im Jahr. Die Adventszeit geht uns zu Herzen, sie nimmt uns in Beschlag. Nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene verbinden mit ihr viele Emotionen. Das hat sicher etwas mit der Jahreszeit zu tun. Im Frühling und im Sommer gehen wir hinaus ins Freie, entdecken die Welt, brechen vielleicht zu neuen Ufern auf. Wenn im Herbst die Tage kürzer und die Nächte länger werden, halten wir uns weniger oft draußen auf. Das Leben spielt sich immer mehr in unseren Wohnungen ab. Wir bleiben eher zuhause; wir kehren ein und kommen zur Ruhe. Wer zur Ruhe kommt, kommt auch zu sich selbst. Die Aufmerksamkeit richtet sich auf uns selbst. Das Innenleben wird wichtig. Fragen an mich selbst tauchen auf. Gelingt mein Leben? Entwickelt es sich in eine gute Richtung? Sollte ich etwas korrigieren? Und wenn ja, was und wie?

Die Adventszeit steht im Jahreslauf ganz eigenartig da. Sie ist am Ende des Kalenderjahres und eignet sich deshalb gut für einen Rückblick. Gleichzeitig und noch viel mehr setzt der Advent aber einen Anfang. Er eröffnet das Kirchenjahr, das neue Kirchenjahr. Der Advent schaut nicht zurück, sondern voraus. Er schaut in die Zukunft. So ist für uns Christinnen und Christen die Adventszeit wie ein Scharnier. Blick zurück und Blick nach vorn; und mittendrin sind wir selbst. Wir, die wir zu uns kommen wollen; wir, die wir unser Leben mit Gott gestalten wollen; wir, die wir darauf hoffen, dass unser Leben gelingt. Wir, die wir uns besinnen also. Die Adventszeit ist eine ausgezeichnete Zeit der persönlichen Besinnung.

Im deutschen Wort Besinnung steckt das Wort Sinn. Wenn wir Christen uns besinnen, halten wir also Ausschau nach dem Sinn unseres Lebens. In der Vergangenheit, jetzt, und in meiner Zukunft. Was dabei entscheidend ist, sagt uns Jesus. Es sind die ersten Worte, die Jesus im Markusevangelium, dem ältesten der vier Evangelien, spricht. Weil es die ersten Worte von Jesus im Evangelium sind, haben sie ein besonderes Gewicht. Jesus sagt:

„Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um, und glaubt an das Evangelium!“ (Mk 1,15)

Jesus sagt hier zwei Dinge: Er macht eine Zeitansage und richtet einen Appell an uns. „Die Zeit ist erfüllt“ bedeutet: Jetzt ist der rechte Augenblick, jetzt ist die günstige Stunde. Wir sind aufgerufen, die Adventszeit zu nutzen, um uns die Frage nach dem Sinn in unserem Leben zu stellen. Worauf richte ich mich aus? Was ist mir wichtig? Wo erfahre ich das, was Jesus «Reich Gottes» nennt? Wo spüre ich, dass Gott im Spiel ist, und wo bringe ich selbst Gott ins Spiel? Jesus verschiebt die wichtigen Fragen nicht. Die Adventszeit lädt auch uns ein, die wichtigen Fragen nicht zu verschieben.

Deshalb richtet Jesus an uns einen doppelten Appell: Kehrt um und glaubt! Der erste Schritt der Umkehr ist eine selbstkritische Rückschau. Kriterium dabei ist die Herrschaft Gottes, wie sie durch Jesus Christus verkörpert ist. Hat Gott den rechten Platz in meinem Leben? Hat der Mitmensch, welcher auch immer, der Nächste, ebenso wie Gott den rechten Platz in meinem Leben? Und ich selbst, habe ich den rechten Platz in meinem Leben? Wenn wir uns auf diese Fragen besinnen, werden auch dunkle Seiten zum Vorschein kommen. Die Erkenntnis von Sünde gehört innerlich zur christlichen Existenz; sie gehört besonders auch zur Adventszeit. Der zweite Schritt ist die neue Ausrichtung auf Jesus. Das setzt eine neue Selbstvergewisserung unseres Glaubens voraus. Im Jahr des Glaubens, das Papst Benedikt ausgerufen hat, ist dieser Appell von besonderer Aktualität. Der Glaube richtet sich auf das Evangelium Jesu Christi. Glaube ich wirklich, dass Jesus der Sohn Gottes ist?

Die Besinnung auf unseren Glauben richtet unser Leben neu auf Christus aus. Die Adventszeit ist die richtige Zeit dafür. Wir blicken zurück und freuen uns über Gelungenes, legen Schweres ab, suchen Vergebung. So werden wir zukunftsfähig. Wir kommen bei uns selber an, weil Jesus Christus bei uns ankommt. Der Advent ist die Zeit, uns in diesen Glauben einzuüben.

Weitere Hinweise und Quellen