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Im Ranft strömen die Charismen des Schweizer Nationalheiligen

Im Ranft da ist ein Brunnen: Schöpfen wir, er ist für alle da, im Überfluss!

Bild: Louis A. VenetzIm Herzen von Europa lebte vor 600 Jahren der hl. Niklaus von Flüe. Aber die Gnadengaben (Charismen) des Schweizer Nationalheiligen strömen im Ranft (Sachseln) heute noch weiter und berühren immer noch sehr viele Menschen, die ihn  an diesem Ort besuchen. Für Bruder Klaus ist denn auch Pfingsten ein Weg nach innen, wo nicht Gemeinheit und Geschäftigkeit der Menschen herrschen sondern die inneren Werte. Ein Pfingsterlebnis wird in der Brunnenvision des Einsiedlers geschildert, dessen Spiritualität von Caspar am Büel um 1500 und von Heinrich Wölflin in der Bruder-Klaus-Biografie von 1501 überliefert wurde. Gemäss dieser Überlieferung ist das Herz des Heiligen selbst ein sprudelnder Tabernakel!

Bild: Louis A. Venetz https://website.ifit.li
Gesicht vom hl. Bruder Klaus

Caspar am Büel (Ambühl) überlieferte vor 1500 diese Vision mündlich und wurde vermutlich in Engelberg niedergeschrieben. Die fragmentarisch erhaltenen Blätter wurden später mit einer Inkunabel zusammengebunden und im Frauenkloster St. Klara in Stans aufbewahrt. Die Schrift wurde aber erst um 1928 im Kloster Wesemlin in Luzern wiederentdeckt und von Kapuzinerpater Adalbert Wagner publiziert. Caspar am Büel war vermutlich ein Enkel von Bruder Klaus, Sohn der Verena von Flüe in Altsellen (Engelberg), aus zweiter Ehe mit Hensli Onofrius aus der Sippe «am Büel». Etwa gleichzeitig wurde die Version von Heinrich Wölflin in der Bruder-Klaus-Biografie von 1501 niedergeschrieben, dessen Original auch erst 1948 von Pater Thomas Käppeli (OP) in der Staatsbibliothek in Neapel wiedergefunden wurde. Wölflins Version basiert auf einer anderen mündlichen Quelle aus Sachseln.

Die Brunnenvision nach Ambühl

Bild: Louis A. Venetz
Brunnen im Ranft beim hl. Bruder Klaus (Niklaus von Flüe)

Ein Mensch unterbrach seinen Schlaf, wie es Gottes Wille war, um sein Leiden [Passion Jesu] zu betrachten. Er dankte Gott wegen seines Leidens und seines Martyriums. Gott aber gab ihm die Gnade, dass er darin Kurzweil und Freude hatte. Dann legte er sich wieder zur Ruhe. Doch in seinem Schlaf oder in seinem Geist dünkte es ihn, als ob er auf einem Dorfplatz stünde. Hier sah er eine grosse Zahl von Menschen, die alle hart arbeiteten und trotzdem so arm waren. Er stand da und schaute ihnen zu und wunderte sich sehr, dass sie so viel arbeiteten und dennoch so arm waren.
Plötzlich zeigte sich auf der rechten Seite ein Tabernakel, wohlerbaut. Eine offene Türe führte hinein. Und er dachte bei sich: Du musst in den Tabernakel hineingehen, du musst schauen, was sich drinnen befindet und musst schnell durch die Türe eintreten. Er kam in eine Küche, die einer ganzen Gemeinde gehörte. Zur rechten Hand führte eine Treppe hinauf, vielleicht vier Stufen hoch. Ein paar Leute sah er hinaufgehen, aber nur wenige. Ihm schien, ihre Kleider seien weiss gesprenkelt.

Kleiner Brunnenfilm (siehe ev. Download)

Er bemerkte, wie die Stufen herab, zur Küche hin, ein Brunnen in einen grossen Trog floss. Dieser enthielt dreierlei: Wein, Öl und Honig. Dieser Brunnen bewegte sich so schnell wie der Blitz und entfachte ein brüllendes Tosen, so dass der Palast laut erschallte wie ein Horn. Und er dachte bei sich: Du musst die Treppe hinaufsteigen und schauen, von woher der Brunnen kommt. Zugleich wunderte er sich sehr, dass die Leute so arm waren und nicht zum Brunnen kamen, um daraus zu schöpfen, obwohl er doch für alle da war. Mit diesen Gedanken ging er die Stiege hinauf und gelangte in einen weiten Saal. In der Mitte sah er einen vier-eckigen Kasten stehen, aus dem der Brunnen sich ergoss. Er näherte sich dem Behälter und betrachtete ihn. Während er auf den Kasten zuging, sank er ein, genauso, wie wenn man durch einen Sumpf schreiten will. Da zog er schnell die Füsse an sich. Und er erkannte in seinem Geiste, wer nicht schnell seine Füsse an sich zieht [und sich tragen lässt], kann nicht zum Brunnenkasten hingelangen.
Der Behälter war auf den vier Seiten mit eisernen Blechen beschlagen. Und dieser Brunnen floss durch eine Röhre hindurch, dabei gab es einen so schönen Gesang im Brunnenkasten und in der Röhre, dass es ihn sehr erstaunte. Dieser Brunnen war so klar, dass jedes Menschenhaar auf seinem Boden zu sehen gewesen wäre. Und wie gewaltig er sich auch ergoss, so war doch der Kasten stets wimpernvoll, so dass er unaufhörlich überquoll. Und es dünkte ihn dabei, wieviel auch daraus floss, es war wohl dennoch immer mehr darin. Er sah, wie es aus allen Ritzen tropfte und zischte.

Bild: Louis A. Venetz
Ranftkapelle beim hl. Bruder Klaus (Niklaus von Flüe)

Nun dachte er bei sich: Ich will wieder hinabsteigen. Als er das tat, sah er den Brunnen mächtig in den Trog fliessen und meinte: Ich will hinausgehen und schauen, was denn die Leute so sehr beschäftigt, dass sie nicht hineinkommen, um aus dem Brunnen zu schöpfen, worin doch ein so grosser Überfluss ist. Er ging zur Tür hinaus. Dort sah er die Leute schwere Arbeit verrichten, und trotzdem waren sie sehr arm. Nun achtete er genau darauf, was sie denn taten. Da bemerkte er einen, der hatte mitten durch den Platz einen Zaun errichtet; er stand vor einer Schranke und verwehrte mit der Hand den Leuten das Weitergehen. Er sagte ihnen: Ich lass euch weder hin- noch hergehen, es sei denn, ihr gebt mir den Pfennig. Ein anderer stand da und jonglierte mit Knebeln; dabei sagte er: Es ist da-zu erdacht, dass ihr mir den Pfennig gebt. Dann sah er Schneider, Schuhmacher und allerlei Handwerksleute. Und jedes Mal, wenn sie ihre Arbeit verrichtet hatten, waren sie hinterher dennoch so arm, wie wenn sie gar nichts bekommen hätten. Niemand sah er hineingehen, um aus dem Brunnen zu schöpfen.
Als er dastand und den Leuten zusah, verwandelte sich die Umgebung und bekam die schroffen Umrisse der Gegend bei Bruder Klausens Kapelle, wo er seine Zelle hatte. Und er erkannte in seinem Geiste: Dieser Tabernakel ist Bruder Klaus [sein Inneres, sein Herz].

Die Bedeutung der Brunnenvision

Die Brunnenvision verweist bei Wölflin auf die Bibel, besonders auf Buch Jes 55, 1–2. Und in Joh 7, 37 steht diese Aufforderung, zum Wasser des Lebens zu kommen, im Zusammenhang mit dem Kommen des Geistes. Die Brunnenvision deutet also auf das Pfingstereignis hin. Bei Ambühls Version ist dieser Bezug ebenfalls in der dreifachen Symbolik im Inhalt der Flüssigkeit gegeben: Wein, Öl und Honig. Im Pfingsthymnus «Veni, Creator Spiritus» (Komm, Schöpfer Geist, 9. Jh.) wird in der zweiten Strophe der Geist Gottes ein «lebendiger Brunnen» (fons vivus) genannt und daran anschliessend «Feuer» (ignis=Wein), «Liebe» (caritas=Honig) und «Seelensalbung» (spiritalis unctio=Öl). Es gibt in der Literatur noch den «Pilgertraktat», der auch auf die Brunnenvision hinweist, wo der unbekannte Pilger in seiner eigenen Interpretation des Radbildes von Bruder Klaus schreibt: «… er [Gott] ist ein Brunnen, aus dem alle Weisheit ausfliesst, diese wird dem mitgeteilt, der ihrer aus echter Liebe begehrt. Das ist die süsse Einfliessung des Heiligen Geistes, dadurch es uns ermöglicht wird, dass wir seine klare Gottheit ewig anschauen können.»

Weitere Hinweise und Quellen

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