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Die Frage nach dem Wesen der Offenbarung ist die Frage nach dem höchsten und radikalsten Fall der Einsicht, wie wirkliches, von „unten» erwirktes Werden des Höheren aus dem sich selbst überbietenden Niederen und dauernde Schöpfung von „oben» nur zwei gleich wahre und wirkliche Seiten des einen Wunders des Werdens und der Geschichte sind. Zwei Positionen stehen dieser Auffassung entgegen: Der Immanentismus eines Modernismus, für den Offenbarung nichts anderes ist als die der menschlichen Geschichte immanente und notwendige Entwicklung des religiösen Bedürfnisses, in der dieses sich in den mannigfaltigsten Formen der Religionsgeschichte objektiviert und allmählich zu seinen reineren Objektivationen in Judentum und Christentum aufwächst, und der Extrinsezismus in der Offenbarungauffassung, dem zufolge Offenbarung das Ereignis eines rein von außen kommenden Eingriffes Gottes ist, der die Menschen anspricht und ihnen durch Propheten Wahrheiten in Sätzen mitteilt, die für sie sonst nicht zugänglich sind, und Weisungen sittlicher und anderer Art erteilt, die der Mensch zu befolgen hat. Wenn Gott das andere schafft und dieses somit als das Endliche den Geist, der es als endlich durch seine Transzendenz erkennt, auf seinen Grund hinweist und diesen gleichzeitig als qualitativ gänzlich anders vom Endlichen absetzt, dann ist damit eine gewisse Kundmachung Gottes als des unendlichen Geheimnisses gegeben, die man “natürliche“ Offenbarung zu nennen pflegt. Diese läßt Gott aber insofern unbekannt bleiben, als er a) nur der durch Analogie als Geheimnis Gewußte, als der nur durch die negierende Übersteigung des Endlichen und durch mittelbaren Verweis, nicht durch direkten Griff auf ihn in sich Gewußte wird, und b) sein letztes Verhältnis eindeutiger Art zur geistigen Kreatur nicht gewußt werden kann, da auf diese Weise unerfahren bleibt, ob Gott die für uns schweigend in sich verschlossene, uns in unsere Endlichkeit hinein distanzierende Unendlichkeit oder die absolute Nähe radikaler Selbstmitteilung sein will (und kann); ob er unserem schuldhaften Nein zu ihm als Gericht oder Vergebung begegnen will.
Über diese „natürliche» Offenbarung hinaus (die eigentlich die Gegebenheit Gottes als Frage, nicht als Antwort ist) gibt es die eigentliche Offenbarung Gottes. Sie ist nicht einfach schon gegeben mit dem geistigen Sein des Menschen, sondern hat Ereignischarakter, sie ist dialogisch, in ihr redet Gott den Menschen an (Hebr 1, 1-2), tut ihm das kund, was nicht einfach durch den notwendigen Verweis aller Weltdinge auf Gott immer und überall an der Welt ablesbar ist (eben die Frage nach Gott und die Gefragtheit des Menschen durch dieses Geheimnis), was vielmehr, auch die Welt schon vorausgesetzt, noch an ihr und für sie unbekannt ist: die innere Wirklichkeit Gottes und sein personal freies Verhalten zur geistigen Kreatur. Ob wir von uns aus erkennen können oder nicht, daß Gott in dieser Weise sich aussagen kann oder nicht (weil vielleicht das Eindringen dieser Aussage in den endlichen Bereich der Erkenntnis diese verendlicht und so als solche gerade auslöscht), braucht nicht diskutiert zu werden. Gott hat sich tatsächlich so geoffenbart, und daraus wenigstens wissen wir, daß solche Offenbarung möglich ist.
Diese Offenbarung hat zwei Seiten, die unterschieden sind, zusammengehören, beide notwendig sind und eine gewisse Variabilität in ihrem gegenseitigen Verhältnis aufweisen. Diese Offenbarung (geschichtlich-personale Wortoffenbarung genannt) trifft zunächst einmal (als ein Moment des Ganzen, nicht als zeitlich frühere Phase oder für sich allein stehendes Ereignis gemeint) die innere geistige Einmaligkeit des Menschen: sie gibt dieser die Möglichkeit, diese personale Selbsterschließung Gottes überhaupt so zu hören und entgegenzunehmen, daß sie nicht auf das „Niveau“ der endlichen Kreatur als solcher herabgezogen als Selbsterschließung Gottes gar nicht mehr „ankommen“ kann, indem Gott, durch sich selbst den Menschen vergöttlichend, den Akt des „Hörens“ (Glaubens), d.h. der Annahme der Selbsterschließung und -mitteilung Gottes, mitträgt; diese Offenbarung ist die personale Selbstgabe Gottes an den Menschen in absoluter, und zwar vergebender Nähe, so daß Gott weder die absolute, abweisende Ferne noch das Gericht ist, obwohl er beides sein könnte, und sich in dieser vergebenden Nähe dem Menschen zur Erfahrung gibt. Was wir eben in dieser Doppeltheit beschrieben haben, heißt christlich die heiligende und rechtfertigende Gnade, als den Menschen vergöttlichende („geschaffene“ Gnade) Erhöhung, in der Gott nicht nur ein von sich Verschiedenes, sondern sich selbst („ungeschaffene“ Gnade) gibt („zuständliche“, habituelle Gnade) und den Akt ihrer Annahme mitträgt (aktuelle Gnade). Insofern diese Gnade von Gott im Hinblick auf Jesus Christus zu allen Zeiten allen Menschen angeboten wurde (und schon als angebotene wirksam ist) und (so können wir hoffen, wenn auch nicht sicher wissen) wenigstens von der Großzahl der Menschen angenommen wird (auch wo sie auf dieses Innerste Kerngeschehen ihrer geistigen Person nicht reflektieren können), insofern diese Gnade das Bewußtsein des Menschen verändert, ihm (wie die Scholastik sagt) ein neues, höheres, gnadenhaftes, aber unreflexes „Formalobjekt“ gibt (die Transzendenz auf das absolute Sein Gottes als glückende), insofern mindestens der Horizont der menschlichen Geistigkeit als unendliche Frage durch diese unsagbare Selbstmitteilung Gottes erfüllt ist von dem glaubenden Vertrauen, daß diese unendliche Frage von Gott mit der unendlichen Antwort, die ER selbst ist, beantwortet wird, ist durch diese Gnade immer schon ereignishafte, freie, gnadenhafte Selbstoffenbarung Gottes zu allen Zeiten gegeben. Die Geschichte ist also immer und überall Heils- und Offenbarungsgeschichte. Aber diese innere, gnadenhafte Selbstoffenbarung Gottes im Kern der geistigen Person ist ja für den ganzen Menschen bestimmt in allen seinen Dimensionen, weil alle zum Heil bestimmt sind.
Und von da aus kommen wir zur anderen Seite der Offenbarung. Die Selbstoffenbarung Gottes in der Tiefe der geistigen Person ist von der Gnade herkommende, zunächst unreflexe, apriorische „Gestimmtheit“ (in einem geistigen, nicht sentimentalen Sinn gemeint), nicht gegenständliche, satzhafte Aussage, Bewußtheit, nicht Gewußtheit. Soll aber diese gnadenhafte Geoffenbartheit Gottes Prinzip des konkreten Handelns des Menschen in seinem gegenständlichen, reflexen Bewußtsein und in der Dimension des Gesellschaftlichen werden, dann muß diese gnadenhafte, ungegenständliche und unreflexe Selbstoffenbarung Gottes übersetzt werden in satzhaft gegenständliche Gewußtheit. Diese „Übersetzung“ hat nun ihre Geschichte, steht in dieser Geschichte unter der Leitung Gottes, bedeutet so selbst nochmals eine Offenbarung Gottes, und diese Geschichte der Reflexion ist ein inneres Moment an der Geschichtlichkeit der Selbsterschließung Gottes in der Gnade, weil diese von sich her die Dynamik auf ihre eigene Vergegenständlichung hat. In jeder Religion wird an sich der Versuch gemacht (wenigstens von Seiten des Menschen), die ursprüngliche, unreflexe und ungegenständliche Offenbarung zu reflektieren und satzhaft auszulegen, und in allen Religionen finden sich einzelne Momente solcher geglückter, von Gottes Gnade ermöglichter Selbstreflexion, durch die Gott dem Menschen auch in der Dimension seiner Gegenständlichkeit, seiner konkreten Geschichtlichkeit eine Heilsmöglichkeit schafft. Aber so wie Gott die Schuld des Menschen überhaupt zugelassen hat und diese sich in allen, den individuellen und gesellschaftlichen Dimensionen des Menschen verdunkelnd und depravierend auswirkt, so ist dies auch in der Geschichte der vergegenständlichenden Selbstauslegung der gnadenhaften Offenbarung durch den Menschen der Fall: sie glückt nur teilweise, sie ist untermischt mit Irrtum und schuldhafter Verblendung. Wenn nun diese Vergegenständlichung der Offenbarung durch Gott auf die Gemeinschaft der Menschen hin und nicht nur für die individuelle Existenz geleitet wird, wenn die „Übersetzung“ in den Menschen, die wir dann religiöse Propheten, Offenbarungsträger auf andere hin im vollen Sinn nennen, von Gott so geleitet wird, daß sie (wenn eventuell auch nur Teilaspekte der inneren Offenbarung vermittelnd und auf bestimmte historische Situationen hin zu deren Bewältigung hin ausgelegt) rein bleibt, wenn diese Reinheit der Offenbarung in der Vergegenständlichung durch die Propheten und unsere eigene Angerufenheit durch die vergegenständlichte Offenbarung für uns durch das, was wir “Wunder“ nennen, legitimiert wird, dann haben wir das, was öffentliche und amtliche, bund- und kirchenhaft verfaßte Offenbarung und deren Geschichte, Offenbarung schlechthin heißt. Diese Art der Offenbarung ist nicht nur ereignishaft und geschichtlich, insofern sie freie Entscheidung Gottes (die Schöpfung schon vorausgesetzt) ist und die freie (geschichtliche) Antwort des (aber jedes) Menschen anruft, sondern auch in dem Sinn, daß sie in dieser amtlichen, reflex garantierten Reinheit nicht überall geschieht, sondern eine besondere Geschichte innerhalb der allgemeinen Geschichte und der allgemeinen Religionsgeschichte hat.
Insofern durch die Geschichtlichkeit der Phasen habenden Reflexion der gnadenhaften Selbstgabe Gottes an den Menschen (welche Reflexion, weil von Gott geleitet, ein Moment an der Offenbarung selbst ist) diese Offenbarung eine Geschichte hat, und zwar abgegrenzt innerhalb der allgemeinen Geschichte, hat die Geschichte der Offenbarung dann ihren absoluten Höhepunkt, wenn die Selbstmitteilung Gottes durch die Hypostatische Union in der Menschwerdung Gottes (deren substantielle Seinshaftigkeit ja die geistig-personale Mitteilung Gottes als Einigung mit einer kreatürlichen Geistigkeit wesenhaft als ihr inneres Moment einschließt) an die kreatürlich-geistige Wirklichkeit Jesu für ihn und somit für uns ihren unüberbietbaren Gipfel erreicht, weil hier das Ausgesagte (Gott), der Aussagemodus (die menschliche Wirklichkeit Jesu Christi in Sein, Leben und Endgültigkeit) und der Empfänger (Jesus als der Begnadigte und Gott Schauende) absolut einer (nicht: dasselbe) geworden sind. In Jesus ist zugleich die gnadenhafte Mitteilung Gottes an den Menschen und deren Selbstauslegung in der Dimension des leibhaftig Greifbaren und Gesellschaftlichen zu ihrem Höhepunkt gekommen, zur Offenbarung schlechthin geworden. Was vorher war an Offenbarung (als reflex-satzhafte und öffentlich-amtliche), ist zunächst nur richtig zu würdigen, wenn sie gesehen wird als (zeitlich) unmittelbarste Vorbereitung auf Jesus Christus, da wir eine amtliche, kontinuierliche und gesellschaftlich verfaßte satzhafte Offenbarung (alle Merkmale zusammengenommen) nur wissen im Bund Gottes mit Israel seit Mose, also vielleicht ungefähr in einem Prozent der Geschichte der Menschheit (zeitlich und räumlich). Diese Offenbarung hat ihren für uns entscheidenden Charakter nicht im konkret Inhaltlichen dieser Geschichte des altestamentlichen Bundes, da dieser entweder vom Menschen her erreichbar ist (Monotheismus, natürliches Sittengesetz) oder die irdisch-politische Existenz des Bundesvolkes samt den geschichtlichen Bedingtheiten der konkreten Gestaltung der gesellschaftlichen und religiösen Verhältnisse (die als Gottes Wille erscheinen gerade auch in dem, was «natürlicher» Lauf der Geschichte ist) betrifft. Was an ihr vielmehr auch für uns immer gültig bleibt, ist ein doppeltes: daß diese Geschichte und keine andere die unmittelbar konkrete Vorgeschichte der Inkarnation als der Offenbarungsgeschichte ist und daß in ihr schon immer das Formale auch der neutestamentlichen Offenbarungsgeschichte reflektiert und eingeübt wurde: Gott spricht und handelt persönlich, er nähert sich dem Menschen, die Geschichte wird als Geschichte seines persönlichen Handelns erfahren, er darin als der Freie, Heilige und Vergebende. Daß dabei die Auslegung der gnadenhaften Offenbarung so weit gehen darf, daß sie eine absolute Selbstmitteilung der Innersten Liebesherrlichkeit Gottes selbst aussagt und daß diese und nicht das distanzierende Gericht Gottes das letzte und siegreiche Wort Gottes in der Geschichte ist, dafür war diese Gnadengeschichte und ihre gottgeleitete Selbstreflexion vor Jesus Christus (und seiner Auferstehung) offen, es war aber dies noch nicht in amtlicher, öffentlicher und als legitim wunderhaft bewährter Interpretation der Gnadenoffenbarung erfaßt. Die Geschichte der Selbstmitteilung Gottes geschah schon immer (wegen Jesus Christus und auf ihn hin), aber das gegenständliche Wissen um sie war vor Jesus Christus noch kein Moment an ihr selbst. Vergleiche Altes Testament als heilsgeschichtliche Größe; Neues Testament als heilsgeschichtliche Größe; Heilige Schrift. Wo das eschatologische reflexe Zusich-selber-kommen der offenbarenden Selbstmitteilung Gottes durch Jesus Christus (als Höhepunkt und Endgültigkeit dieser Mitteilung) in Ausdrücklichkeit, sozialer Verfaßtheit und eschatologischer Endgültigkeit da ist, ist das gegeben, was wir Kirche nennen. Sie ist Adressatin und Kündigerin dieser absoluten Offenbarung. Insofern diese Wahrheit der absoluten Selbsterschließung Gottes die endgültige ist, und zwar als siegreiche und nicht nur ideologische, sondern in Jesus Christus als bleibend real gegebene, ist die Kirche in ihrem Wahrheitsbekenntnis die unfehlbare, d.h., ihr Bekenntnis, in dem die gegenständliche und reale Wahrheit der Selbstgabe Gottes in Jesus Christus da ist, kann nicht untergehen, nicht irren, wo es im absoluten Engagement der Kirche vollzogen wird, weil sonst Jesu Christi Wahrheit selbst nicht mehr da wäre (Unfehlbarkeit). Insofern diese Sieghaftigkeit der Wahrheit Jesu Christi in der Kirche die sie konstituierende Wahrheit der hierarchisch verfaßten Kirche ist, muß die «Unfehlbarkeit» dem Akt der hierarchischen Führung der Kirche, ihrem Lehramt (Papst und Bischöfen) zukommen, dieses muß die bleibende Wahrheitsgegenwart Christi bewahren, je in der geschichtlichen Situation aktualisieren und entfalten können. kthW

Sich nicht von der weltlichen Logik der Macht faszinieren lassen

Festpredigt zum Christkönigssonntag von Papst Benedikt XVI.

Em. Papst Benedikt XVI.
Benedikt XVI. Anno domini 2005

Meine Herren Kardinäle, verehrte Mitbrüder im bischöflichen und im priesterlichen Dienst, liebe Brüder und Schwestern! Das heutige Hochfest Christkönig, die Krönung des liturgischen Jahres, erfährt eine Bereicherung durch die Aufnahme von sechs neuen Mitgliedern ins Kardinalskollegium, die ich traditionsgemäß eingeladen habe, an diesem Morgen in der Eucharistiefeier mit mir zu konzelebrieren. Jeden von ihnen begrüße ich aufs herzlichste und danke Kardinal James Michael Harvey für die freundlichen Worte, die er im Namen aller an mich gerichtet hat. Ich grüße die übrigen Purpurträger und alle anwesenden Bischöfe wie auch die verehrten Repräsentanten des öffentlichen Lebens, die Priester, die Ordensleute und alle Gläubigen, besonders die aus den Diözesen, welche der pastoralen Leitung der neuen Kardinäle anvertraut sind. Sich nicht von der weltlichen Logik der Macht faszinieren lassen weiterlesen