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Historische Begegnung mit gemeinsamem Friedensappell

Sensation: Papst Franziskus und Patriarch Kyrill von Moskau treffen sich auf Kuba

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Papst Franziskus und Patriarch Kirill von Moskau

Am 12. Februar werden Papst Franziskus und Patriarch Kyrill von Moskau und ganz Russland sich in Kuba treffen. Es ist das erste Mal in der Geschichte, dass sich ein Papst und ein Patriarch der Russisch-Orthodoxen Kirche begegnen. Der Russland-Experte von Kirche in Not, Peter Humeniuk, spricht über die Bedeutung dieses Treffens und den Dialog zwischen Katholischer und Russisch-Orthodoxer Kirche, für den sich das Hilfswerk seit bald 25 Jahren einsetzt.

Interview zum Treffen von Papst Franziskus und Patriarch Kirill von Moskau auf Kuba

Kirche in Not: Wie haben Sie die Nachricht aufgenommen, dass der Papst und der Patriarch von Moskau einander begegnen werden?
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Der Russland-Experte von Kirche in Not international, Peter Humeniuk

Peter Humeniuk: Dass das langersehnte Treffen der beiden Kirchenoberhäupter unmittelbar bevorsteht, ist eine Sensation und ein Anlass zu grosser Freude. Damit erfüllt sich ein Traum, den bereits Papst Johannes Paul II. gehegt hatte. Natürlich war diese Ankündigung eine Überraschung. Andererseits wurde bereits seit vielen Jahren sehr viel Vorarbeit dafür geleistet. Und so ging es letztlich mehr um die Frage des Wann als des Ob. Metropolit Hilarion beantwortete Fragen nach dem Zeitpunkt oft in dem Sinne, dass der Termin unbekannt sei, aber mit jedem Tag näherkomme. Das hat Mut gemacht.

Kirche in Not: Warum findet das Treffen der Kirchenoberhäupter gerade jetzt statt?
Peter Humeniuk: Dass das Treffen nun schneller Wirklichkeit geworden ist als erwartet, ist auch auf die dramatische Weltlage zurückzuführen. Denn wir sind in unserer Zeit Zeugen einer Christenverfolgung, die ein nie dagewesenes Ausmass angenommen hat und die Existenz des Christentums in Teilen der Welt bedroht. Metropolit Hilarion sagte in einer Pressekonferenz in Moskau, dass die Entwicklung der Lage im Nahen Osten, in Nord- und Zentralafrika und anderen Regionen, in denen „Extremisten einen wahren Genozid an der christlichen Bevölkerung verüben, dringende Massnahmen und eine engere Zusammenarbeit zwischen den christlichen Kirchen erfordert“ habe. Das heisst: Wenn die Welt brennt, spielen kirchenpolitische Einzelfragen eine untergeordnete Rolle. Das gemeinsame Zeugnis ist wichtiger denn je!
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Kurt Kardinal Koch trifft auf Metropolitan Hilarion (Alfeyev) der Russisch-Orthodoxen Kirche

Kirche in Not: Warum ist gerade die Russisch-Orthodoxe Kirche so bedeutend? Immerhin hat der Papst ja bereits andere orthodoxe Patriarchen getroffen…

Peter Humeniuk: Mit mehr als 100 Millionen Mitgliedern ist die Russisch-Orthodoxe Kirche die grösste und einflussreichste unter den orthodoxen Kirchen. Ihre Stimme hat grosses Gewicht.
Kirche in Not: Eine Überraschung ist nicht nur der Zeitpunkt, sondern auch der Ort, an dem die beiden Kirchenoberhäupter sich treffen werden. Warum Kuba?
Peter Humeniuk: Es war relativ früh klar, dass ein Treffen zwischen dem Papst und dem Moskauer Patriarchen an einem neutralen Ort stattfinden sollte. Die europäischen Länder boten sich dazu nicht an, da hier zu viele historische Verbindungen und belastende Erinnerungen bestanden. So kam Lateinamerika ins Gespräch. Es wurden mehrere mögliche Orte angedacht, beispielsweise Paraguay. Nun kam der Zufall zu Hilfe, denn die Wege der beiden Kirchenoberhäupter kreuzen sich gewissermassen auf ihren Reisen nach Lateinamerika, die sie unabhängig voneinander unternehmen wollten. Warum also sollte man diese Gelegenheit nicht beim Schopfe ergreifen? Dazu kommt, dass es für beide Kirchenoberhäupter nicht das erste Mal ist, dass sie Kuba besuchen. Man darf zudem daran erinnern, dass Kuba bereits in der Vergangenheit Schauplatz weltpolitischer Ereignisse war. Ich denke an die Kubakrise im Jahr 1962, als die Welt vor dem Atomkrieg zwischen den USA und der Sowjetunion stand. Damals hat der Friedensappell Papst Johannes XXIII. eine Eskalation verhindert. Auf jeden Fall dürfte jedoch klar sein, dass die Konflikte in der Welt eine Dynamik entwickeln, die zu einer Bedrohung für grosse Teile der Menschheit wird und einen gemeinsamen Schrei der christlichen Kirchen nach Frieden erfordern.
Kirche in Not: Sie sind zurzeit in Moskau. Wie wurde die Nachricht über das bevorstehende Treffen in der russischen Öffentlichkeit und innerhalb der Orthodoxie aufgenommen?
Peter Humeniuk: Die Nachricht wurde positiv aufgenommen und findet in Russland in den etablierten wichtigen Medien grosse Resonanz. Schaltet man beispielsweise im Fernsehen den 1. Kanal ein, sieht man ständig Bilder des Papstes. Es war ein sehr gutes Signal, dass der Heilige Stuhl und das Moskauer Patriarchat die Nachricht zeitgleich veröffentlicht haben. Auch innerhalb der Orthodoxie wird das Treffen positiv bewertet. Patriarch Bartholomäus, der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, war über das bevorstehende Treffen informiert und hat es mit großer Zufriedenheit aufgenommen. Auf das Panorthodoxe Konzil, das in diesem Jahr stattfinden wird, hat das Treffen zwischen dem Papst und dem Moskauer Patriarchen zwar keine direkte Auswirkung. Jedoch waren sich bereits die russisch-orthodoxen Bischöfe bei ihrer Vollversammlung Anfang Februar in Moskau darüber einig, dass die Lage im Nahen Osten derartig dramatisch ist, dass sofortige nachhaltige Schritte zu unternehmen seien. Jedem ist klar, dass es sich in der Tat um ein „Sein oder Nichtsein“ des Christentums in diesen Ländern handelt. So wurde zwar bei dieser Gelegenheit meines Wissens das Treffen der Kirchenoberhäupter nicht direkt thematisiert, es ist aber offensichtlich, dass auch in der Orthodoxie Einigkeit darüber herrscht, dass die Dramatik der Lage besondere Massnahmen und Schritte erfordert.
Kirche in Not: Was wird sich durch das Treffen zwischen Papst und Patriarch verändern?
Peter Humeniuk: Die Tatsache, dass sich die beiden Kirchenoberhäupter physisch noch nicht begegnet sind, bedeutet ja nicht, dass es bislang keine Zusammenarbeit gegeben hätte. Die Begegnung ist daher ein Höhepunkt des bislang Erreichten, aber sie basiert auf etwas, was bereits seit mehreren Jahrzehnten aufgebaut wurde. Beide Kirchen haben bereits in der Vergangenheit in vielen Fällen mit einer Stimme gesprochen. Ich möchte beispielsweise daran erinnern, dass Papst Franziskus und Patriarch Kirill im September 2013 ihre Stimme für den Frieden in Syrien erhoben haben. Patriarch Kirill schrieb damals an Präsident Obama, Papst Franziskus an Präsident Putin. Es ist zu erwarten, dass sich die Zusammenarbeit zwischen den beiden Kirchen nach dem Treffen vertiefen und intensivieren wird. Für das Treffen wurde auch die Unterzeichnung eines gemeinsamen Dokumentes angekündigt. Dies zeigt eine erfolgreiche Vorarbeit, und man darf hoffen und beten, dass daraus reiche Früchte hervorgehen werden.
Kirche in Not: Und was bedeutet dieses Treffen konkret für die Zusammenarbeit von Kirche in Not mit der Russisch-Orthodoxen Kirche?
Peter Humeniuk: Für uns ist dieses Treffen natürlich ein Ansporn und eine Bestätigung, diesen Weg weiterzugehen. Zugleich suchen wir auch nach neuen Formen der Zusammenarbeit, die sich in neuen Projekten und gemeinsamen Aktionen manifestieren sollen. Es tun sich wichtige Betätigungsfelder auf, wie beispielsweise das gemeinsame Auftreten gegen die Christenverfolgung oder der Einsatz für die christliche Familie. Hier gibt es viel zu tun, und der Wille zum gemeinsamen Suchen von Lösungen und zum gemeinsamen Zeugnisablegen ist bei beiden Kirchen stark. Und angesichts der Weltlage können sich die Kirchen nur Gehör verschaffen, wenn sie ihren Schrei nach Frieden mit vereinter Stimme vorbringen. Für Kirche in Not ist es klar, dass wir auch weiterhin dabei helfen werden, auf diesem Weg voranzugehen.

Weitere Hinweise und Quellen