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Dass ich glauben kann, verdanke ich zunächst Gott, der sich mir zuwendet und meinen Glauben anzündet

Exerzitien zur Fastenzeit Teil X mit Benedikt XVI. aus acht Jahren Pontifikat

Bild: berlinertageszeitung.deLaudetur Jesus Christus! Hier ist Radio Vatikan. Radioexerzitien in der Fastenzeit. Willkommen zu unserer Sendung, ich bin P. Bernd Hagenkord. Der Amtseinführung Papst Franziskus wegen ist auch diese Sendung verschoben und wird nun einen Tag später ausgestrahlt als gedacht. Durch seine Menschwerdung tritt der Sohn Gottes in die Gemeinschaft der Menschen ein, um sie zu leiten und in eine harmonische und fruchtbare Einheit zusammenzuführen. Er ist das Haupt des Leibes, der Leib aber ist die Kirche, sagt Paulus. So haben Bestand und inneres Wachstum der Menschheit in Christus ihre Wurzeln. Gott wird Mensch und von daher wächst die Gemeinschaft, aber diese Dynamik kehrt sich auch um: Die Gemeinde wendet sich an den, auf dessen Grund sie steht. Deutlich wird das in der Geschichte der ersten Christen. Die Gemeinde betet. Die Urgemeinde ist unter Druck. Petrus und Johannes waren verhaftet worden und sind gerade erst wieder freigelassen worden. Wie verhält sich die Gemeinde also?

Sie denkt nicht nach, wie man sich verteidigen kann, wie man solche Unfälle vermeiden kann, sondern sie richtet sich auf Gott hin, sie betet zusammen, um von Gott her die Lösung und den Weg zu finden. Das sagt auch uns etwas. Gebet ist immer eine wesentliche Antwort auf Fragen und Probleme unseres Lebens: Die Dinge vor Gott hinstellen und damit in einem grösseren Rahmen lösen. Angesichts von Gefahr und Prüfung also sucht die Urgemeinde das einmütige Gebet. Was den Apostel widerfahren ist, geht alle an, sie alle beten miteinander, sie fürchten sich nicht vor Verfolgung, sind eins im Gebet. Die Gemeinde sucht das Geschehene im Licht des Glaubens zu lesen und so den richtigen Weg zu finden. Und sie betet nicht um Erfolg, nicht um Schutz, sie bittet darum, dass sie fähig wird, weiterhin Christus zu verkündigen, sie bittet darum, dass der Mut des Glaubens uns nicht verlässt, auch in allen Widersprüchen dieser Welt, und dass der Mut des Glaubens uns dann die Kraft gibt, den andern den Weg zu Gott und zu Christus zu zeigen und so die Welt ins Rechte zu bringen. Es wird uns erzählt, als die Gemeinde zusammen kraftvoll gebetet hat, bebte der Ort, d.h. der Glaube ist eine Kraft, der die Erde verändern, der Menschen verändern, die Weltgeschichte gestalten kann in die richtige Weise hinein gestalten kann. Und dann beten sie auch darum, dass Zeichen geschehen, Heilungen, die die Wahrheit Christi zeigen. Auch darum sollen wir beten, dass die Güte Gottes offenbar wird, dass der Glaube leuchtet und dass er Menschen so gut machen und heilen, von innen her heilen kann, dass seine Wahrheit sichtbar wird. Die Frucht des gemeinsamen Gebetes ist der Heilige Geist, ist der Geist, der Einheit schafft und der uns hilft zu glauben und mit dem Glauben zu leben und anderen den Weg zum Leben zu zeigen.

[5:12] Der Glaube, der gemeinsam gelebte Glaube ist eine Kraft, die die Welt gestalten kann. Die Zeichen dafür können wir sehen. Wir können sie sehen in denen, die wir die Heiligen nennen, ein Thema, das Benedikt XVI. immer wieder nennt.

[5:35] Fragen wir: Was haben diese Heiligen gemeinsam? Wie können wir das Besondere ihres Lebens beschreiben und doch verstehen, dass es uns angeht und in unser Leben hineinwirken kann? Die Heiligen zeigen uns zunächst, dass es möglich und gut ist, in der Beziehung zu Gott zu leben und diese Beziehung radikal zu leben, sie an die erste Stelle zu setzen, nicht irgendwo auch noch ein Eck für ihn auszusparen. Die Heiligen verdeutlichen uns die Tatsache, dass seinerseits Gott sich uns zuerst zugewandt hat. Wir könnten nicht zu ihm hinreichen und uns irgendwie ins Unbekannte zu ihm ausstrecken, wenn er nicht zuerst uns geliebt hätte, wenn er nicht zuerst uns entgegengegangen wäre. Nachdem er schon den Vätern in den Worten der Berufung entgegengegangen war, hat er sich uns in Jesus Christus selbst gezeigt und zeigt sich uns immerfort in ihm. Christus kommt auch heute auf uns zu, er spricht jeden einzelnen an und lädt jeden von uns ein, ihm zuzuhören, ihn verstehen zu lernen und ihm nachzufolgen. Diesen Anruf und diese Chance haben die Heiligen genutzt, den konkreten Gott haben sie anerkannt, ihn gesehen und gehört und auf ihn zugegangen, mit ihm gegangen. Sie haben sich von innen her sozusagen von ihm anstecken lassen und ausgestreckt auf ihn in der beständigen Zwiesprache des Gebets und von ihm das Licht erhalten, das ihnen das wahre Leben erschliesst.

[7:56] Wenn wir an diese Seligen und an die Schar der Heiligen und Seligen insgesamt denken, können wir begreifen, was es heisst, als Rebzweige des wahren Weinstocks Christus zu leben und Frucht zu tragen. Im Gleichnis vom Weinstock sagt Jesus nicht: „Ihr seid der Weinstock“, sondern: „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben“ (Johannes 15,5). Das heißt: „So wie die Rebzweige mit dem Weinstock verbunden sind, so gehört ihr zu mir! Indem ihr aber zu mir gehört, gehört ihr auch zueinander.“ Und dieses Zueinander- und Zu-ihm-Gehören ist nicht irgendein ideales, gedachtes, symbolisches Verhältnis, sondern – fast möchte ich sagen – ein biologisches, lebensvolles Zu-Jesus-Christus-Gehören. Das ist die Kirche, diese Lebensgemeinschaft mit Jesus Christus und füreinander, die durch die Taufe begründet und in der Eucharistie von Mal zu Mal vertieft und verlebendigt wird. „Ich bin der wahre Weinstock“, das heißt doch eigentlich: ‚Ich bin ihr und ihr seid ich‘ – eine unerhörte Identifikation des Herrn mit uns, mit seiner Kirche.

[9:48] Im Gleichnis sagt uns der Herr Jesus noch einmal zur Kirche: „Ich bin der wahre Weinstock, und mein Vater ist der Winzer“ (Johannes 15,1), und er führt aus, daß der Winzer zum Messer greift, die dürren Reben abschneidet und die fruchttragenden reinigt, so daß sie mehr Frucht bringen. Gott will – um es mit dem Bild des Propheten Ezechiel zu sagen, das tote, steinerne Herz aus unserer Brust nehmen, um uns ein lebendiges Herz aus Fleisch geben (vgl. Ezechiel 36,26). Er will uns neues, kraftvolles Leben schenken, ein Herz der Liebe, der Güte und des Friedens. Christus ist gekommen, die Sünder zu rufen. Sie brauchen den Arzt, nicht die Gesunden (vgl. Lukas 5,31). Und so ist, wie das Zweite Vatikanische Konzil sagt, die Kirche das „universale Heilsinstrument“ (Lumen gentium, LG 48), das für die Sünder, für uns da ist, um uns den Weg der Umkehr, der Heilung und des Lebens zu eröffnen. Das ist die immerwährende große Sendung der Kirche, die ihr von Christus übertragen ist.

[11:31] Der Herr fährt so fort: „Bleibt in mir, dann bleibe ich in euch. Wie die Rebe aus sich keine Frucht bringen kann, sondern nur, wenn sie am Weinstock bleibt, so könnt auch ihr keine Frucht bringen, wenn ihr nicht in mir bleibt, … denn getrennt von mir – wir können übersetzen: außerhalb von mir – könnt ihr nichts vollbringen“ (Johannes 15,4 f). Vor diese Entscheidung ist jeder von uns gestellt. Wie ernst sie ist, sagt uns der Herr wiederum in seinem Gleichnis: „Wer nicht in mir bleibt, wird wie die Rebe weggeworfen, und er verdorrt. Man sammelt die weggeworfenen Reben, wirft sie ins Feuer, und sie verbrennen“ (Johannes 15,6). Die hier geforderte Wahl macht uns eindringlich die grundlegende Bedeutung unserer Lebensentscheidung bewußt. Zugleich ist das Bild vom Weinstock ein Zeichen der Hoffnung und der Zuversicht. Christus selbst ist durch seine Menschwerdung in diese Welt gekommen, um unser Wurzelgrund zu sein. In aller Not und Dürre ist er die Quelle, die das Wasser des Lebens schenkt, die uns nährt und stärkt. Er selbst nimmt alle Sünde, Angst und Leid auf sich und reinigt und verwandelt uns schließlich geheimnisvoll in gute Reben, die guten Wein bringen. Auch das Schwere und Bedrückende unseres Lebens weiß Gott in Liebe zu verwandeln. Wichtig ist, daß wir am Weinstock, bei Christus „bleiben“.

[13:52] «Nicht nur für diese hier bitte ich, sondern auch für alle, die durch ihr Wort an mich glauben», so hat Jesus im Abendmahlsaal zum Vater gesagt (Johannes 17,20). Er bittet für die künftigen Generationen von Glaubenden. Er blickt über den Abendmahlssaal hinaus in die Zukunft hinein. Er hat gebetet, auch für uns, und er bittet um unsere Einheit. Dieses Gebet Jesu ist nicht einfach Vergangenheit. Immer steht er fürbittend für uns vor dem Vater. Und so steht er in dieser Stunde mitten unter uns und will uns in sein Gebet hineinziehen. Im Gebet Jesu ist der innere Ort unserer Einheit. Wir werden dann Eins sein, wenn wir uns in dieses Gebet hineinziehen lassen. Sooft wir uns als Christen im Gebet zusammenfinden, sollte uns dieses Ringen Jesu um uns und mit dem Vater für uns ins Herz treffen.

[15:37] Glaube ist immer auch wesentlich ein Mitglauben. Niemand kann allein glauben. Wir empfangen den Glauben, so sagt uns Paulus, durch das Hören und Hören ist ein Vorgang des Miteinandersein, geistig und leiblich, in dem grossen Miteinander der Glaubenden aller Zeiten, die Christus gefunden haben, von ihm gefunden worden sind, kann ich glauben. Dass ich glauben kann, verdanke ich zunächst Gott, der sich mir zuwendet und meinen Glauben sozusagen anzündet. Aber ganz praktisch verdanke ich meinen Glauben meinen Mitmenschen, die vor mir geglaubt haben und mit mir glauben. Dieses grosse «Mit», ohne das es keinen persönlichen Glauben geben kann, ist die Kirche. Sie möge uns dazu ermuntern, nach dem Beispiel der Heiligen, das Zeugnis sichtbar und hörbar zu machen in der Welt, die Herrlichkeit Gottes hörbar und schaubar zu machen und so zu leben in einer Welt, in der Gott da ist und Leben schön und sinnvoll werden lässt. Amen.

[16:58] Und damit endet diese zehnte Folge der Radioexerzitien mit Predigten und Ansprachen von Papst Benedikt XVI. Ihnen alles Gute, wo immer Sie uns zuhören. Hier ist Radio Vatikan. Laudetur Jesus Christus!

Weitere Hinweise und Quellen

Nachweis der Audioausschnitte für die 10. Folge der Radioexerzitien von Radio Vatikan am 20. März 2013

  • Die Predigten am 22. (Berlin), 23. und 24. (Erfurt) September 2011 bei der Deutschlandreise
  • Generalaudienz am 7. Sept 2005
  • Generalaudienz 18. Feb 2012

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