Dass wir uns vergeben lassen, uns erneuern lassen, und so wirklich Menschen des Bundes, Gottes Volk sind

Exerzitien zur Fastenzeit Teil IV mit Benedikt XVI. aus acht Jahren Pontifikat

Bild: berlinertageszeitung.deLaudetur Jesus Christus! Hier ist Radio Vatikan. Radioexerzitien in der Fastenzeit. Willkommen zu unserer Sendung, ich bin P. Bernd Hagenkord. Sie hören heute, am vorletzten Tag des Pontifikates von Papst Benedikt XVI., die vierte Folge unserer Radioexerzitien, die mit seinen Ansprachen, Predigten und Texten gestaltet ist. Wir Menschen haben Schwierigkeiten mit einem Gott, der so ist wie unser Gott, unsichtbar. Von Anfang der Geschichte Gottes mit den Menschen an, war dies eine der grossen Herausforderungen, bei der aber die grossen Themen von Vergebung, Umkehr und Erlösung immer da waren. Als ein Beispiel nennt Papst Benedikt XVI. den grossen Beter Israels, Mose.

[1:33] Mehrfach erzählt die Bibel davon, wie Mose mit Gott von Gesicht zu Gesicht wie ein Freund redete. Bei vielen Gelegenheiten trat er mit seiner Fürbitte für die einzelnen wie für das ganze Volk ein. So ist er ein Vorausbild geworden für den einen Mittler zwischen Gott und den Menschen, den Menschen Jesus Christus, der für uns alle am Kreuz vor den Vater hingetreten ist und für uns vor ihm steht. Die vielleicht dramatischte Gegebenheit, in der Mose als Fürsprecher auftritt, haben wir am Fusse des Berges Sinai. Nach 40tägigem Fasten auf dem … war Mose Gott begegnet und wollte nun das von Gott Empfangene, die göttlichen Worte […] auf den beiden steinernen Tafeln, dem Volk überbringen, als Realität des Bundes zwischen Gott und dem Volk. Aber das Volk war des Wartens müde geworden, sie sagten, wir wissen gar nicht wo der hingekommen ist, wir sind jetzt allein in der Wüste, und sagen zu Mose: «Gib du uns einen Gott.» Sie sind müde eines unsichtbaren Gottes, den man nie sehen kann, der ferne und unbegreiflich bleibt. Sie wollen einen greifbaren Gott, einen, der zu ihnen passt, an den sie sich halten können. Und so giesst ihnen Aaron das goldene Kalb, als ein Gott, der da ist, den sie sehen, anschauen können, der zu ihnen passt. Die Geschichte erzählt uns in ihrer Bildsprache, dass Gott im Zorn das treulose Volk vernichten wollte, das besagt «der Abfall vom Bund bevor sie noch vollends empfangen ist», bedeutet, dass sie aufhören sollen, Volk Gottes zu sein, dass sie die Existenz selber verwirkt haben. In diesem Augenblick lernen wir, was Gebet ist. Mose appelliert an die Güte Gottes, des Retters und Garanten des Lebens. Er appelliert an Gott, gegen Gott, und sagt: «Du kannst doch das nicht tun, dein Volk, das du herausgeführt hast, vernichten und zerstören, was du selbst begonnen hast, deine Verheissung zunichtemachen.» Mose ringt im Gebet mit Gott, das Ringen Gottes mit den Menschen, damit in Gott die Erbarmung sichtbar wird, die uns umformen kann, die das Böse nicht einfach ignoriert, aber den Menschen verwandelt und so vergebungsfähig macht. Das Eintreten für die anderen bereichert auch Mose selbst, mit einem Gebet, indem er die Einheit mit dem Willen Gottes sucht, ist er selbst immer tiefer in das Geheimnis Gottes eingedrungen, der das Erbarmen wollte, der auf das Wort wartete, das um Erbarmen bittet. Die erbarmende Liebe Gottes tritt durch den Menschen in die Geschichte der Menschen ein. Und sie tritt letztlich durch den Sohn Gottes zu uns ein, der selbst Mensch geworden ist, der sich das Herz durchstechen liess, sich töten liess, vernichten liess gleichsam, um uns zum Leben zu bringen und nun mit der Gabe seines Leibes und Blutes uns den Bund bringt, die Einheit mit sich selbst, die Identifizierung, die Blutsverwandtschaft mit ihm, so dass wir durch ihn mit Gott versöhnt sind. Und darum zugleich immer wieder neu auch selber umgewandelt werden, Vergebung, Erneuerung wird. Wir wollen den Herrn bitten, dass wir dies immer mehr verstehen, dass wir uns vergeben lassen und uns erneuern lassen, und so wirklich Menschen des Bundes, Gottes Volk sind.

5:42 Das Leben des Volkes Gottes in der Wüste setzt sich im Leben von heute fort. Wir sind auf dem Weg. Aber wohin geht dieser Weg?

5:52 Wir sind im Leben alle unterwegs und gehen auf die Zukunft zu. Und, wir wollen den richtigen Weg finden, das wahre Leben entdecken, nicht auf einem Holzweg, nicht in der Wüste enden. Wir möchten nicht am Ende sagen müssen: «Ich bin den verkehrten Weg gegangen, mein Leben ist verpfuscht und schief gelaufen.» Wir wollen des Lebens froh werden, wir wollen, wie Jesus einmal sagt, «leben in Fülle» finden. Und da fragen wir uns, wie geht das zu? Was ist der Weg dahin? Nun, das Erste und Wichtigste ist, diese Menschen leben mit Gott zusammen. Er hat sein Zelt über ihnen aufgeschlagen. Da fragen wir uns weiter: Was ist das, das Zelt Gottes? Wo ist es? Wie kommen wir dahin? Gott ist nicht weit weg von uns, irgendwo im fernen Weltraum, wo niemand hinkommen kann. Er hat sein Zelt aufgeschlagen bei uns. In Jesus ist er einer von uns geworden, mit Leib und Blut wie wir. Das ist sein Zelt. Und er ist bei der Himmelfahrt nicht irgendwohin weit weggegangen, sein Zelt, er selbst, mit seinem Leib als einer von uns, bleibt bei uns. Wir können zu ihm Du sagen, mit ihm reden, er hört auf uns. Und wenn wir aufmerksam sind, hören wir auch, dass er Antworten gibt. Jetzt noch einmal: In Jesus zeltet Gott unter uns. Aber noch einmal auch: Wo ist das nun genau? Wir können es sehen durch die Eucharistie, durch die Kommunion, das Sakrament der Kommunion, bildet sich eine Gemeinschaft über alle Grenzen und Sprachen hin. Durch die Kommunion bildet sich die weltweite Kirche, in der Gott mit uns redet und lebt. Und so sollen wir die heilige Kommunion empfangen als eine Begegnung mit Jesus, mit Gott selber, der uns zu den Quellen des wirklichen Lebens führt.

8:56 Die kirchliche Gemeinschaft und ihr Zentrum, die Eucharistie, das sind die Orte des Lebens, zu denen wir in Gebet und in Umkehr kommen. Dadurch weht der Geist unter den Menschen. An Festen, an Sonntagen und bei Papstansprachen mag das ja gut gehen, …

9:13 … aber im Alltag ist es viel mühsamer, das Wirken des Heiligen Geistes gegenwärtig zu fühlen oder selber gar Instrument zu sein, damit er da sein kann, damit so ein Wehen geschieht, das Vorurteile der Zeit wegfegt, das in Dunkelheiten Helligkeit schafft und spüren lässt, der Glaube hat nicht nur Zukunft, er ist die Zukunft. Wie sollen wir das machen? Nun, allein können wir es natürlich nicht. Am Ende ist es der Herr, der uns dazu hilft, aber wir müssen doch bereite Werkzeuge sein. Ich würde einfach sagen: Niemand kann etwas geben, was er nicht selber hat, d.h. wir können Heiligen Geist nicht wirksam weitergeben und spürbar werden lassen, wenn wir nicht selber in seiner Nähe sind. So denke ich, das Erste, was wichtig ist, dass wir selber sozusagen im Atemraum des Heiligen Geistes bleiben, in Berührung mit ihm sind. Nur wenn wir selber inwendig immer wieder neu angerührt werden, wenn er in uns Gegenwart hat und da ist, dann können wir ihn auch weitergeben, dann gibt er uns auch die Phantasie und die schöpferischen Ideen, wie man das machen, Ideen, die man nicht vorplanen kann, sondern die in der Situation entstehen, weil hier der Heilige Geist wirkt. Punkt Eins also, selber im Atemraum des Heiligen Geistes bleiben.

11:13 Wir können also geradezu sagen: Der Heilige Geist ist der Atem Jesu Christi und wir müssen uns von Christus sozusagen immer wieder neu beatmen lassen, damit in uns dieser neue Atem lebendig wird und kraftvoll wird und in die Welt hineinwirkt. Das würde also bedeuten, dass wir in der Nähe Christi sein müssen. Wir tun es, indem wir mit seinem Wort umgehen. Ihr wisst ja, der Heilige Geist ist der Hauptverfasser der Heiligen Schrift. Wenn wir in ihr mit Gott reden, nicht nur Vergangenheit in ihr suchen, sondern in ihr wirklich gegenwärtig reden mit Gott, dann wandeln wir gleichsam im Garten des Heiligen Geistes, dann reden wir mit ihm, redet er mit uns. In diesem Raum zu Hause werden, im Raum des Wortes Gottes, ist etwas sehr Wichtiges, das uns sozusagen in diesen Atem Gottes hineinführt.

12:37 Und dann natürlich muss aus diesem Zuhören, Wandeln darin, ein Antworten werden, Antworten im Gebet, in der Berührung mit Christus, und natürlich im Zentrum des heiligen Sakramentes der Eucharistie, indem er auf uns zugeht und in uns eintritt, sich gleichsam mit uns verschmilzt. Aber auch das Sakrament der Busse, indem wir uns immer wieder reinigen lassen, die Dunkelheiten herauswaschen lassen, die in uns durch den Alltag sind. Kurzum, ein Leben mit Christus, im Heiligen Geist, im Wort Gottes und in der Gemeinschaft der Kirche, in ihrer lebendigen Gemeinschaft, all das sollte sozusagen unseren Tageslauf bestimmen, dass es ein strukturierter Tag ist, ein Tag, an dem Gott immer wieder Einlass hat in uns, indem immer wieder die Berührung mit Christus stattfindet, indem wir auf solche Weise immer wieder vom Heiligen Geist beatmet werden. Wenn wir das tun, wenn wir nicht zu faul, zu undiszipliniert oder sonst zu träge sind, dann geschieht etwas an uns, dann nimmt der Tag Gestalt an und dann nimmt unser eigenes Leben darin Gestalt an, das leuchtet dann auch aus uns heraus, ohne dass wir viel überlegen müssen und sozusagen propagandistisch tätig werden müssen. Es kommt von selbst, weil es unser eigenes Inneres ist. Und dazu würde ich dann als Zweites, und damit logisch verbunden, mit der … hinzufügen: Wenn wir mit Christus leben, machen wir auch die menschlichen Dinge recht. Der Glaube ist ja nicht nur das Übernatürliche, sondern er baut den Menschen wieder zu Menschen, wie diese Parallele mit der Wirkungsgeschichte von Joh 20 zeigt, er baut gerade auf die natürlichen Tugenden: die Redlichkeit, die Freudigkeit, die Bereitschaft, den anderen anzuhören, die Fähigkeit zu verzeihen, die Grosszügigkeit, die Güte, die Herzlichkeit miteinander, diese menschlichen Tugenden sind Ausweis dessen, dass der Glaube wirklich da ist, dass wir wirklich mit Christus sind. Und darauf glaub ich sollte wir sehr achten, dass wir die einfache Menschlichkeit in uns reifen lassen, dass Glaube Menschwerdung ist, Menschlichkeit ist, dass wir die menschlichen Dinge, auch des Berufes richtig und gut tun, in der Rücksicht auf den anderen, in der Sorge um den anderen, indem wir am besten auch für uns selber sorgen, gerade indem wir für den anderen da sind, sind am besten für uns selber da. Und daraus wachsen dann die entsprechenden Initiativen, die man nicht vorplanen kann, Gebetsgemeinschaften, Gemeinschaften, die miteinander die Bibel lesen, oder auch tätige Hilfe für Menschen, die in Not sind, die dessen bedürfen, die am Rand des Lebens stehen, Kranke und Behinderte uns so vieles. Da gehen uns dann die Augen auf, wenn wir sehen, wofür ich geeignet bin, dass ich in die entsprechende Initiativen eintrete, anderen Mut dazu gebe. Und gerade diese menschlichen Dinge stärken dann, berühren uns irgendwo wieder mit dem Geiste Gottes.

16:19 Sie hören die vierte Folge der Radioexerzitien mit Papst Benedikt XVI. Wenn Sie ein Folge verpasst haben sollten oder alle Folgen nachhören wollen, schreiben Sie uns. Wir senden Ihnen gerne die CDs dazu zu. Die Adresse ist mailto:cd@radiovatikan.de. Ich bin Pater Bernd Hagenkord und verabschiede mich von Ihnen. Alles Gute, wo immer Sie uns zuhören. Hier ist Radio Vatikan. Laudetur Jesus Christus!

Weitere Hinweise und Quellen

Nachweis der Audioausschnitte für die 4. Folge der Radioexerzitien von Radio Vatikan am 26. Februar 2013

  • Generalaudienz 1. Juni 2011
  • Predigt in München, 10. Sept 2006
  • Ansprache des Papstes im Urlaub in Brixen, 2008

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