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Beten ist einerseits ein Geschenk von Gott her, aber auch eine Kunst, die man [vertieft] lernen muss

Exerzitien zur Fastenzeit Teil II mit Benedikt XVI. aus acht Jahren Pontifikat

Bild: berlinertageszeitung.deLaudetur Jesus Christus! Hier ist Radio Vatikan. Radioexerzitien in der Fastenzeit. Willkommen zu unserer Sendung, ich bin P. Bernd Hagenkord. Sie hören heute die zweite Folge unserer Radioexerzition zur Fastenzeit mit Texten von Papst Benedikt XVI. Nach einer allgemeinen Einführung in die Fastenzeit wird es in dieser Folge um die Grundhaltung gehen, die bei allem Denken bei den Exerzitien im Vordergrund steht: um das Beten. Wir leben heute einerseits in einer säkularen Welt, wo Gott aus dem Bewusstsein vieler Zeitgenossen zu verschwinden scheint. Zugleich sehen wir aber auch viele Zeichen, die das Wiedererwachen eines Sinnes für das Religiöse anzeigen. Vielen Menschen genügt eine bloss horizontale und materielle Sichtweise des Lebens nicht.

Sie fragen nach mehr und erkennen, dass nur Gott die letzten Antworten geben kann. In der Begegnung mit Gott darf der Mensch erfahren, dass hier seine innerste Sehnsucht gestillt wird, eine Sehnsucht, die zu seinem Menschsein gehört, denn wir sind von Gott und für Gott erschaffen. Der Homo sapiens und der Homo faber, der weise und arbeitende Mensch ist in seiner tiefen Verwirklichung immer auch ein religiöser Mensch und damit ein betender Mensch. Die Beziehung zu Gott, besonders im Gebet, öffnet ihm den Zugang zum Wahren und Schönen, aber auch zum Unsichtbaren, Unerwarteten, Unaussprechlichen. Deshalb ist das Gebet mitunter eine Herausforderung und zugleich eine Gnade, die der schenkt, an den wir uns wenden. Gott kommt uns selbst zuerst entgegen, indem er innerlich uns anrührt und [als irgendwie] Gegenwärtiges an sich erinnert, so dass wir nach ihm rufen, ihn kennen wollen. Unser Beten ist die Antwort auf sein Vorausgehen, auf seine Liebe. So wird das Gebet zum Ort des Dialogs, des Liebendengesprächs, der Gemeinschaft mit Gott, der allein unsere Sehnsucht nach dem Unendlichen erfüllen kann. Lernen wir wieder neu, vor Gott still zu werden und innezuhalten. Gerade in der Stille hören wir seine Stimme, die uns zur Quelle des Lebens ruft, um uns über alle Begrenzungen hinauszuführen und auf die Grösse Gottes hin zu öffnen, zur Gemeinschaft mit ihm, der die unendliche Liebe ist, nach der wir alle verlangen.

3:09 Mit der heutigen zweiten Folge unserer Radioexerzitien wollen wir uns also dem Beten zuwenden. Dieses innere Tun kann uns stützen und halten und auf den Weg zur ständigen Umkehr bringen, von der der Papst in der vergangenen Folge gesprochen hat. Aber was ist das, beten? Wie geht das, beten?

3:30 Beten ist Sprechen mit Gott. Um einen echten Dialog führen zu können, ist es nötig, Gott zu kennen, ihm nahe zu kommen, einen Weg zu ihm zu finden. Bei diesem Streben ist Jesus Christus uns Vorbild und Lehrer. Die Jünger, die wussten, dass er im inneren Gespräch mit dem Vater steht, baten ihn: «Herr, lehre uns beten.» Sie hatten gespürt, dass sie nur durch Jesus sich Gott nähern konnten, denen [er] die Tiefe und Intensität der Beziehung eines Kindes zu Gott dem Vater vorlebte.

4:21 Wir lernen unser Beten durch das Leben und Beten Jesu.

4:25 Der Evangelist Lukas erzählt uns, dass Jesus bereits als Zwölfjähriger im Tempel von Jerusalem zurückblieb und seinen Eltern erklärte, dass er in dem sein muss, was seinem Vater gehört [siehe Lukas 2,49]. Lukas erwähnt das Beten Jesu auch bei der Taufe im Jordan und schreibt: Zusammen mit dem ganzen Volk liess auch Jesus sich taufen. Und während er betete, öffnete sich der Himmel und eine Stimme aus dem Himmel sprach: «Du bist mein geliebter Sohn.» [siehe Lukas 3,21,22] Beide Stellen zeigen uns die tiefe Verbundenheit zwischen Jesus und dem himmlischen Vater. Auch wenn Jesus die konkreten Formen des Betens von seiner Mutter und in der jüdischen Tradition gelernt hat, so entspringt sein Beten doch einer tieferen verborgenen Quelle seinem Sohnsein, der ewigen Sohnschaft. Er ist, so sagt der Katechismus, der ewige Sohn Gottes, der in seiner heiligen Menschheit das vollkommene kindliche Gebet an den Vater richtet. In seiner Sohnschaft, in seiner besonderen Liebe pflegt Christus eine ganz persönliche Beziehung zum Vater, wenn er sich zum Gebet in die Wüste oder auf einen Berg zurückzieht. Wenn er die ganze Nacht im Gebet zubringt, um beim Vater zu sein. Von dieser innerlichen Gemeinschaft zum Vater ist sein ganzes Wirken, Heilen, Lehren, Trösten, erfüllt. Aber er fragt auch uns an, was bedeutet eigentlich Beten in meinem Leben? Bete ich? Wie lerne ich beten? Wie öffne ich mich im Beten auf ihn hin? Wie füge ich mein Beten ein in das grosse Beten der Kirche, sein Beten selber, als betender Mensch dazu beizutragen, dass immer wieder der Himmel sich öffnet und hereinschaut in die Welt. Beten ist einerseits ein Geschenk von Gott her, aber auch eine Kunst, die man lernen muss. Wir wollen darum auch in den folgenden Wochen uns darum mühen, sie tiefer zu erlernen und damit der Welt wieder den Himmel näher zu bringen.

6:38 Benedikt XVI. gibt uns zwei Beispiele, an denen wir das Beten lernen können. Das erste Beispiel ist der Prophet Elia aus dem Nordreich Israel, etwa 900 v. Chr.

6:50 Die Bevölkerung hatte den jüdischen Glauben mit Elementen der heidnischen Religionen und ihrer Umgebung vermischt. Es war die alte Versuchung, sich Götter nach den eigenen Bedürfnissen zu schaffen, die vermeintlich Fruchtbarkeit und Wohlstand gaben, wenn man nur entsprechend dafür opferte. Elia wurde von Gott berufen, das Volk zur Umkehr zu führen. Der Name Elia, der Herr ist mein Gott, zeigt das an, wofür dieser Prophet lebte, dem Volk die Augen zu öffnen, dass der Herr der einzige Gott ist. Dazu versammelte er das Volk auf dem Berg Karmel, wo er die Priester der Baalsgötzen herausforderte, um zu zeigen, welcher Gott nun wirklich Gebete erhört. Dabei wurden auch die grundverschiedenen Weisen sichtbar zu beten. Die Baalspropheten schrien und tanzten ekstatisch und ritzten sich das Fleisch auf. In ihrer Selbstbezogenheit versuchten sie die Götter zu einer Antwort zu zwingen. Es gelang ihnen nicht die Öffnung auf das Grössere hin, das erst die Dimension der Hingabe möglich macht. Ganz anders Elija. Er lädt das Volk ein, sich zu nähern, Gemeinschaft mit ihm zu haben, an seinem Gebet teilzunehmen. Er errichtet einen Altar aus 12 Steinen, die der Zahl der Stämme Israels entsprechen, so dass Israel gleichsam selbst Altar und Gebet ist. In seinem Gebet spricht er den Gott Israels mit Namen an. Damit erinnert er einerseits Gott an seine Treue, dass er sich an Israel gebunden hat, aber er erinnert auch das Volk an seine Treue, dass es diesem Gott gehört und dass es ihn als den einzigen Gott erkennt und nicht von irgendwoher sich Heil erwartet. Gott hört das Gebet des Propheten und nimmt das Opfer im Feuer auf. Das Volk erkennt, wer wirklich sein Gott ist, der sich in seiner Güte offenbart und auf die Antwort seiner Geschöpfe in Liebe und Treue wartet [siehe 1 Könige 18,20-40]. Und so gilt Elija auch Vorbild für Christus, der für uns steht und für uns betet, der uns zeigt, wer wirklich Gott ist, der es uns zeigt gerade durch seine Liebe, die er bis zum Letzten lebt und der uns damit auch zeigt, was Opfer heisst. Sich von der Liebe erfüllen lassen, die uns umbrennt und erneuert und zugleich uns zu wirklich Lebenden macht. Gott wird nicht durch Zerstörung angebetet, sondern durch die Kraft der Liebe, die Leben ist und die freilich unser Leben umformt. So lädt uns Elija ein, in dieses Beten Christi hineinzutreten, uns von dem Feuer seiner Liebe anzünden zu lassen, uns formen zu lassen, neue Menschen zu werden und damit in der Welt Gott wieder sichtbar werden zu lassen. Nehmen wir uns den grossen Beter Elija zu Vorbild, damit auch wir für die Menschen beten und dabei, auch wenn wir nicht unmittelbar für unsere eigenen Interessen erhört werden, umso mehr auf Gottes Liebe und auf die wirkliche Antwort Gottes an die Menschheit vertrauen lernen.

10:06 Neben den Betern des alten Bundes ist uns aber auch das Gebetbuch des Volkes Gottes geschenkt, wie Benedikt XVI. es nennt, das Buch der Psalmen. Dies ist das zweite grosse Beispiel des Papstes, woran wir das Beten lernen können.

10:22 Die 150 Psalmen drücken die menschliche Erfahrung Gott gegenüber mit ihren ganzen Facettenreichtum aus. Durch sie haben sich die Beter in Lobpreis und Bitte an Gott gewandt. Auch uns wollen die Psalmen beten lernen. In ihnen wird das Wort Gottes zum Gebetswort. Wir beten sozusagen mit Gottes eigenen Worten, die er uns gibt, damit wir lernen, zu ihm zu sprechen, eine Sprache mit ihm finden können. Etwas ganz Ähnliches geschieht, wenn ein Kind zu sprechen beginnt. Es lernt, die eigenen Wahrnehmungen, Gefühle und Bedürfnisse mit Worten auszudrücken, die es von seinen Eltern und von anderen Personen aus seiner Umgebung gelernt hat. Was es ausdrücken will, ist das, was es selbst erlebt hat. Aber das Ausdrucksmittel kommt von anderen Menschen. Nach und nach eignet das Kind sich an und lernt so Sprache mit der Sprache einer Welt. Aus der Leihgabe wird das eigene Reden, das doch immer den andern das Wort verdankt. So ist es auch im Beten der Psalmen. Sie sind uns von Gott gegeben, damit wir Wörter haben, damit wir lernen, uns an Gott zu wenden und mit ihm zu sprechen, so dass diese Worte, die er uns gegeben hat, allmählich und immer mehr unsere eigenen Worte werden, und indem wir seine Worte uns zu eigen machen, wir lernen, Gott zu kennen und uns zu erkennen, wir Menschsein lernen, lernen uns in Trübsal und Schmerz zu ihm zu wenden, auch wenn mit der Klage, mit der Beschwernis, aber doch auch immer mit der Gewissheit, dass er, der Ferne, uns nahe ist, und dass der, der uns vergessen zu haben scheint, uns hört, dass wir letztlich immer zählen dürfen auf ihn und dass wir in keiner Not letztlich allein gelassen sind, sondern immer noch zu ihm schreien können und wissen dürfen, er hört mich. Und so ist im Letzten, im Bitten und in der Klage, auch schon der Dank und die Gewissheit, Gott liebt mich, mit enthalten. Der Mensch mag weinen, flehen, bitten, aber er betet im Bewusstsein, dass er dem Licht und dem endgültigen Lobpreis entgegengeht. So wollen wir den Herrn bitten, dass er uns wahrhaft beten lehrt, dass er uns lernt, seine Kinder zu sein und mit ihm im Familiendialog, im Dialog der Kinder, im Dialog zum Vater zu stehen und dann rechte Menschen zu werden [siehe Psalm 23]

Psalm 23
Der Herr ist mein Hirte; nichts wird mir fehlen.
Er lässt mich lagern auf grünen Auen und führt mich zum Ruheplatz am Wasser.
Er stillt mein Verlangen; er leitet mich auf rechten Pfaden, treu seinem Namen.
Muss ich auch wandern in finsterer Schlucht, ich fürchte kein Unheil; denn du bist bei mir, dein Stock und dein Stab geben mir Zuversicht.
Du deckst mir den Tisch vor den Augen meiner Feinde; Du salbst mein Haupt mit Öl, du füllst mir reichlich den Becher.
Lauter Güte und Huld werden mir folgen mein Leben lang, und im Haus des Herrn darf ich wohnen für lange Zeit.

14:00 Beten ist immer ein Akt des Vertrauens. Wir wissen, dass wir uns Gott anvertrauen dürfen, dass er gut, barmherzig, langmütig und reich an Liebe ist. Das wird besonders schön sichtbar im Psalm 23, eines der schönsten Gebete des Psalter, von tiefem Vertrauen beseelt. «Der Herr ist mein Hirte; nichts wird mir fehlen.» Mit diesen Worten bringt der Psalmist gleich am Beginn seine Gewissheit zum Ausdruck, dass er sich auf Gott verlassen kann, dass Gott ihn auf schwierigen Situationen führt und schützt. Die Bilder des Psalms sind aus der Erfahrungswelt des Hirten genommen, der seine Schafe kennt und sich um sie kümmert, sie sind ihm kostbar, er ist bereit, sie zu verteidigen. Er garantiert ihnen Wohlergehen und Frieden. Der Hirt wandert mit der Herde und lebt mit ihr. Er hat ein Auge für das, was sie braucht und weiss auch, im Wüstenland Wasser und Gras zu finden, damit sie leben können und ihnen Sicherheit zu gewähren, wo Gefahr ist. Er hat mehr ein Auge für das, was die Herde braucht, als für seine eigenen Bedürfnisse. Seine Anwesenheit macht selbst in wüstenähnlichen Gebieten Leben möglich, schenkt Fülle und Reichtum. Die Nähe Gottes verwandelt die Wirklichkeit und das dunkle Tal verliert das Gefahrvolle. Die Worte «du bist bei mir» drücken dieses innige und unerschütterliche Vertrauen aus. In Jesus Christus erhält dieses Bild vom Hirten seine volle Bedeutung: Er ist der gute Hirt, der das verlorene Schaf sucht. Er kennt seine Herde und gibt das Leben für sie. Er ist der Weg, der zum Leben führt, das Licht, das das dunkle Tal erleuchtet und alle menschlichen Ängste besiegt. Er bietet uns verlässliche Sicherheit und bereitet den Tisch seines Leibes und Blutes und das endgültige messianische Hochzeitsmahl im Himmel. Liebe Brüder und Schwestern, der Psalm 23 lädt uns ein, unser Vertrauen auf Gott zu erneuern und uns ganz in seine Hände zu geben. Bitten wir ihn also mit Zuversicht, dass er uns nahe sei, dass er uns an lebendige Wasser führe, dass wir aus der Quelle trinken dürfen, die ewiges Leben schenkt.

16:32 Und damit endet die zweite Folge unserer Radioexerzitien. Ihnen alles Gute, wo immer Sie uns zuhören. Hier ist Radio Vatikan. Laudetur Jesus Christus!

Weitere Hinweise und Quellen

Nachweis der Audioausschnitte für die 2. Folge der Radioexerzitien von Radio Vatikan am 19. Februar 2013

  • Generalaudienzen am 11. und 4. Mai 2011, am 30. November 2011, vom 22. Juni 2011 und 5. Oktober 2011

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