Bild: Vatikan Observatory

Das ganze materielle Universum ist ein Ausdruck der Liebe Gottes

Symposium der Vatikanischen Sternwarte anlässlich des 80. Geburtstages

Bild: Vatikanische SternwarteVom 14. bis 18. September 2015 fand in Castel Gandolfo (bei Rom) das internationale Symposium der Vatikanischen Sternwarte statt. Ein besonderer Anlass war heuer der 80.  Geburtstag der so genannten Specola Vaticana, die astronomische Forschungs- und Bildungsinstitution des Heiligen Stuhls. Papst Franziskus hielt zum Abschluss des Symposiums, am 18. September 2015, eine besinnliche Ansprache, wo er an den Sinn und die Geschichte der Sternwarte und ihre Wiedereinweihung in Castel Gandolfo am 29. September 1935 durch Papst Pius IX. erinnerte.  Die Ansprache stammt dem Wortlaut nach aus dem L’Osservatore Romano (O.R.19.9.2015), der Vatikanzeitung in deutscher Sprache.

Ansprache von Papst Franziskus an die Wissenschaftler

Liebe Brüder und Schwestern! Euch alle, die Gemeinschaft der Mitarbeiter der Vatikanischen Sternwarte, heiße ich herzlich willkommen, und ich danke Kardinal Giuseppe Bertello für seine einleitenden Worte zu unserer Begegnung. »Deum Creatorem venite adoremus«. Mit diesen Worten, die in die Marmortafel an der Mauer einer der Teleskopkuppeln der Päpstlichen Residenz in Castel Gandolfo eingraviert sind, begann Pius XI. am 29. September 1935 seine Ansprache, als er die neue Sternwarte einweihte.

Bild: L'Osservatore Romano 19.9.2015Tatsächlich ist das Universum viel mehr als ein wissenschaftliches Problem, das es zu lösen gilt: Vielmehr ist es »ein freudiges Geheimnis, das wir mit frohem Lob betrachten« (Enzyklika Laudato si’, 12).

»Das ganze materielle Universum ist ein Ausdruck der Liebe Gottes, seiner grenzen­losen Zärtlichkeit uns gegenüber« (ibid., 84).

Der heilige Ignatius von Loyola verstand diese Sprache sehr gut. Er selbst erzählte, dass sein größter Trost darin bestand, den Himmel und die Sterne zu betrachten, weil das in ihm das größte Verlangen aufkommen ließ, dem Herrn zu dienen (vgl. Bericht des Pilgers, 11).

Bei der Neuerrichtung der Sternwarte in Castel Gandolfo bestimmte Pius XI. auch, dass ihre Leitung der Gesellschaft Jesu anvertraut werden sollte. In allen diesen Jahren haben die Astronomen der Sternwarte Forschungswege beschritten, kreative Wege auf den Spuren der jesuitischen Astronomen und Mathematiker des »Collegium Romanum« von P. Christoph Clavius bis P. Angelo Secchi, über P. Matteo Ricci und viele andere. An diesem Jahrestag möchte ich auch an die Ansprache in Erinnerung rufen, die Benedikt XVI. an die Väter der letzten Generalkongregation der Gesellschaft Jesu richtete, wo er darauf hinwies, dass die Kirche einen dringenden Bedarf an Ordensleuten hat, die ihr Leben der Aufgabe widmen, auf der Schwelle zwischen Glauben und menschlichem Wissen, zwischen Glauben und moderner Wissenschaft zu stehen.

In diesen Tagen habt ihr – Patres und Ordensbrüder, gemeinsam mit den Forschern, die mit euch zusammenarbeiten – euch versammelt, um euch über eure Forschungen auszutauschen sowie über jene Themen, die den Dialog zwischen Wissenschaft und Religion betreffen. Diesbezüglich erklärte der heilige Johannes Paul II.: »Wichtig ist, … dass der Dialog weitergeführt und vertieft und zielbewusster wird« (Schreiben an den Direktor der Vatikanischen Sternwarte, Pater George V. Coyne, 1. Juni 1988; in O.R.dt., Nr. 50, 6.12.1988, Beilage XLIV). Und er fragte sich: »Ist die Gemeinschaft der Weltreligionen – ein­schließlich der Kirche – bereit, einen tiefschürfenden Dialog mit der Gemeinschaft der Wissenschaftler aufzunehmen, einen Dialog, der sowohl die Integrität der Religion als auch die der Naturwissenschaft aufrechterhält und gleichzeitig den Fortschritt beider fördert?« (ibid.).

Im Zusammenhang mit dem interreligiösen Dialog, der heute dringender ist als je zuvor, kann die wissenschaftliche Erforschung des Universums eine einzigartige Perspektive bieten, die von Gläubigen und Nichtgläubigen gleichermaßen geteilt wird und die dazu beitragen kann, zu einem besseren religiösen Verständnis der Schöpfung zu gelangen. In diesem Sinne sind die Sommerkurse in Astrophysik, die von der Sternwarte in den vergangenen 30 Jahren veranstaltet wurden, eine wertvolle Gelegenheit für junge Astronomen aus aller Welt, um miteinander ins Gespräch zu kommen und auf der Suche nach der Wahrheit zusammenzuarbeiten.

Zudem habt ihr auf eurer Tagung auch darüber gesprochen, wie wichtig es ist, zu vermitteln, dass die Kirche und ihre Hirten die echte Wissenschaft annehmen, ermutigen und fördern, wie Leo XIII. betonte (vgl. Motu proprio Ut mysticam). Es ist sehr wichtig, dass ihr das Geschenk eurer wissenschaftlichen Erkenntnisse über das Universum mit den Menschen teilt und unentgeltlich weitergebt, was ihr unentgeltlich empfangen habt.

Im Geist der Dankbarkeit gegenüber dem Herrn für das Zeugnis der Wissenschaft und des Glaubens, das die Mitarbeiter der Sternwarte in diesen Jahrzehnten abgelegt haben, möchte ich euch ermutigen, den Weg gemeinsam mit euren Kollegen und mit all jenen fortzusetzen, die die Begeisterung und die Mühe der Erforschung des Universums mit euch teilen. Diese Reise macht ihr auch in Gesellschaft der Mitarbeiter der Sternwarte sowie der Wohltäter und Freunde und vieler Menschen guten Willens. Ja, wir alle sind unterwegs zum gemeinsamen Haus des Himmels, wo wir voll freudiger Bewunderung in der Lage sein werden, das Geheimnis des Universums zu erkennen (vgl. Enzyklika Laudato si’, 243). Der allmächtige Gott, der das gesamte Universum am Leben erhält, möge euch durch die Fürsprache der jungfräulichen Mutter mit seinem Frieden erfüllen und euch segnen.

Weitere Hinweise und Quellen