Gezogenwerden mit den Banden der Liebe (Hos 11, 4)

Selige Ulrika Nisch – Der Ruf der stillen Stimme

Ulrika Nisch (2)Am 12. März 1952 wird Ulrika Nisch in Gegenwart des Erzbischof Dr. Hermann Schäufele von Freiburg exhumiert. Schwester Ulrika blieb unverwest. Am 2. April 1952 wird sie durch den Bischof von Rottenburg auf dem Klosterfriedhof wieder beigesetzt und am 24. November der bischöfliche Informativprozess eröffnet. Am 10. Februar 1960 wurden durch die Heilige Ritenkongregation die Schriften Ulrikas approbiert. Sie und Sr. Blandine Merten wurden am Fest Allerheiligen 1987 durch Papst Johannes Paul II. in Rom seliggesprochen. Ihr Gedenken feiert die röm.-kath. Kirche am 8. Mai.Welches ist die innere Geschichte, die in den unscheinbaren äußerlichen Daten des Weges bis zum Kloster sich verbirgt? Zeugnisse in Aussagen Dritter, die das eine oder andere Wort Ulrikas überliefern und von ihrer Verhaltensweise sprechen, einige Zeilen in erhaltenen Briefen Ulrikas sind für eine Antwort die einzigen Quellen. Statt sie im Einzelnen auszuschöpfen, seien die Linien gezogen, die sich zwischen diesen spärlichen und recht verstreuten Punkten doch deutlich genug ergeben.

Das Wichtigste ist ein selbstverständliches und stetes, nie krisenhaft unterbrochenes Hingezogenwerden zum Gebet. Der Besuch der heiligen Messe, wenn irgend möglich auch am Werktag, das Verbringen der Freizeit in der Kirche oder in der stillen Sammlung, die starke Betonung, dass auf Gott allein alles ankommt, in den uns erhaltenen Briefen, der hohe Wert, den Franziska/Ulrika dem Beten auch im Umgang mit den ihr anvertrauten Kindern beimisst: dies alles spricht leise, aber klar von jenem „Gezogenwerden mit den Banden der Liebe» (vgl. Hos 11, 4), das sich in der mystischen Vereinigung mit Jesus hernach als Lebensziel und Lebensruf von Schwester Ulrika erweisen wird. Leben in der Anziehung Gottes, dies ist die Grundlinie, die sich von Anfang an in ihrem Lebensweg zeigt. Er ruft, auch wenn wir die Bahnen nicht ermitteln können; auf welchen sein Ruf ankommt und trifft.

Bild: Kloster IngenbohlEine zweite Grundlinie: Immer wieder wird betont, dass Franziska/Ulrika zufrieden ist, keine Vorwürfe macht, schweigend annimmt. Gewiß ist sie unter den Belastungen in Sauggart schier zusammengebrochen und hat auch geweint. Aber sie macht sich nie zum Problem; ihre Dankbarkeit den Eltern, dem Nächsten und zumal dem Herrn gegenüber ist durch negative Erfahrungen nicht zu erschüttern. Sie nimmt an, wie Er es schickt, und erblickt gerade darin den Ernstfall ihrer Gottverbundenheit. Der ruft, ist stärker als ihr Ich, und so wird ihr eigenes Leben leise im Hören und Annehmen der rufenden Stimme.

Das dritte: Die kleinen Verhältnisse, unter denen sie lebt, erlegen ihr etwas auf, was sie aus innerster Freiheit bis zum Ende als ihr Verhältnis zum andern, zu allen andern leben wird, das Leben für…

Der Ruf, der zur Stille bei Ihm und zur Vereinigung mit Ihm drängt, drängt auch zur Bereitschaft, sich für den andern einzusetzen, das eigene Leben und Leiden an Christus im Nächsten zu verschenken. Ist nicht auch dies die innerste Seele ihres Rufes gerade zu den Kreuzschwestern? Sie sehnt sich nach dem beschaulichen Kloster, nach einem Leben ausschließlich im Gebet. Aber sie entdeckt, dass ihr Platz, der Platz auch ihrer mystischen Vereinigung mit Gott, mitten im Dienst an den ändern, mitten im Leben für sie und im Kreuztragen für sie vorgesehen ist. Die Spannung zwischen Kontemplation und Dienst löst sich für sie in der Entscheidung für den Dienst als den Bewährungsort der Kontemplation. (Quelle: siehe Hinweis I.)

Auch Ulrika Nisch kommt ”aus der großen Bedrängnis“

Auch Schwester Ulrika Nisch aus der Ordensgemeinschaft der Kreuzschwestern von Ingenbohl gehört zu jener ”großen Schar aus allen Nationen und Stämmen, Völkern und Sprachen“, die ”in weißen Gewändern“ vor Gottes Thron stehen. Auch sie kommt ”aus der großen Bedrängnis“ eines harten und geprüften Lebens, in dem ihre Liebe und Treue zu Christus in einem überragenden Maße aufgeleuchtet sind. Darum trägt sie nun ”das Siegel des lebendigen Gottes“ auf ihrer Stirn und darf der Gemeinschaft aller Seligen Gottes zugezählt werden.

Wir dürfen Schwester Ulrika Nisch seligsprechen, weil sich an ihr in den einunddreißig Jahren ihres irdischen Weges die Bedingungen der Seligpreisungen des Evangeliums erfüllt haben. Wer ihr Leben kennt, weiß von der großen Armut ihrer Kindheit, ihres Dienens an letzter Stelle, von den Prüfungen ihres kränklichen Leibes und einer zeitweiligen Dunkelheit im Beten. Diese harten Erfahrungen führten Schwester Ulrika zu jener Lauterkeit des Herzen, die in den kleinsten Dingen die gütige Vaterhand Gottes zu erblicken vermag und von ihm jede Stunde des Lebens in kindlicher Dankbarkeit entgegennimmt. Sie war wirklich ”arm vor Gott“.

So fand die Liebe Gottes keinen Widerstand in ihrem Denken, Fühlen und Wollen: Sie hatte ein ”reines Herz“, dem es schon zu Lebzeiten gegeben war, ”Gott zu schauen“ in mystischer Vereinigung. Ihre Arbeit und ihre Nachtruhe begleitete ein fortwährendes Gebet; ”alles ist ihr zum Gebet geworden“, bezeugt ein Beobachter voller Staunen.

Ganz von Gott erfüllt, wurde Ulrika Nisch immer mehr ein Gefäß seiner Liebe, die all ihr äußeres Wirken durchdrang und die einfachsten Dienste für die Menschen ihrer Umgebung zu einer Kostbarkeit machten. In ihrer Gegenwart fühlten sich die Menschen ”wie im Paradies“. Fürwahr: Sie ist selig, weil sie ”keine Gewalt angewandt“, sondern allein der Macht einer ”Liebe ohne Maß“ vertraut hat.

So konnte Schwester Ulrika barmherzig sein, ohne zu verletzen; sie konnte geben, ohne zurückzufordern; sie konnte reich machen, obwohl sie selbst arm war, ”Durch Schwester Ulrika bekam ich eine neue Seele“, bekennt eine Frau mit einem harten Lebensschicksal, die sich an der Seite der Ordensschwester wieder für Gott und die Menschen öffnen konnte.

Gerade diejenigen, die bei unserer neuen Seligen wahre, selbstlose Liebe gefunden haben, sind die ersten gewesen, die dieses äußerlich unscheinbare Leben für wertvoll und groß angesehen haben. Sie haben erkannt, daß hier die Bedingungen der Seligpreisungen Jesu erfüllt waren. Der Herr selbst hat Schwester Ulrika Nisch das Siegel einer Seligen Gottes aufgeprägt…

Die beiden neuen Seligen, Schwester Ulrika Nisch und Schwester Blandine Merten, die Kirche am heutigen Fest feierlich als Glieder jener unzähligen Schar aller Heiligen anerkennt, seien für uns fortan Fürsprecherinnen und Ermutigung, daß auch wir zur Herrlichkeit der Kinder Gottes gelangen. (Quelle: Hinweis II,  5-6)

Weitere Hinweise und Quellen

  1. Zitat stammt aus dem Buch
    Die leise Stimme
    Ulrika Nisch – ihr Weg und ihre Botschaft
    Von Bischof Klaus Hemmerle, Herder Freiburg – Basel – Wien
    ISBN 3-451-21152-1
  2. Predigt des hl. Papst Johannes Paul II. zur Seligsprechung von Ulrika Nisch an Allerheiligen 1987
  3. Kathpedia – Ulrika Nisch
  4. Kloster Ingenbohl – Selige Schwester Ulrika Nisch
  5. Stiftung Ulrika Nisch